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Dumping in der Behindertenhilfe

Die Wohlfahrtsverbände sollen die Unterbringungskosten für Behinderte senken, fordern die Kommunen. Ansonsten würde die Behindertenhilfe öffentlich ausgeschrieben, drohen sie

VON NATALIE WIESMANN

Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen wollen mit allen Mitteln die Kosten für die Unterbringung von Behinderten reduzieren. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), der mit Beiträgen der Städte und Gemeinden die Versorgung der Menschen mit Behinderung finanziert, hat den Wohlfahrtsverbänden „Preistreiberei“ vorgeworfen: „Es kann nicht sein, dass der Tagessatz für einen geistig Behinderten im münsterländischen Ibbenbüren bei 28 Euro liegt und in Bochum bei 75 Euro“, sagt LWL-Vorsitzender Wolfgang Schäfer – und droht den Wohlfahrtsverbänden. Wenn diese nicht die Kosten reduzierten, müsste die Behindertenhilfe öffentlich ausgeschrieben werden. „Da wollen wir wissen, ob wir das nicht kostengünstiger bekommen, ohne die Qualität der Hilfeleistung zu senken“, so Schäfer.

Die Sparanstrengungen sind vor allem auf die wachsende Zahl von Behinderten zurückzuführen: Nach dem Ende der Nazi-Herrschaft seien nur noch wenige Behinderte am Leben gewesen, so LWL-Sprecher Frank Tafertshofer. Das sei der Hauptgrund dafür, dass in den Nachkriegsgenerationen in Deutschland die Anzahl der Behinderten wachse. Außerdem sei die Lebenserwartung von Menschen mit Down-Syndrom beispielsweise gestiegen. „Die Kosten für die Behinderten sind höher als die Ausgaben für Hartz IV“, sagt er. Bis März will der LWL mit Caritas, Diakonie und der freien Wohlfahrtspflege über Sparmöglichkeiten verhandeln. Im Mittelpunkt steht dabei die Umwandlung von Heimplätzen in ambulante Betreuungsangebote.

Die Wohlfahrtsverbände ärgern sich über die Vorwürfe des Landschaftsverbandes: „Es ist ja nicht so, dass wir uns über Kostensenkungen nie Gedanken gemacht hätten“, sagt Britta Anger, Geschäftsführerin für den Bereich Behindertenarbeit bei der Diakonie Westfalen. In den Jahren 2005 und 2006 hätten die Träger bereits auf eine Gehaltserhöhung verzichtet. Außerdem sei der Vorschlag, sich in Richtung betreutes Wohnen zu orientieren, von den Wohlfahrtsverbänden selbst gekommen. Die Bedingungen seien aber noch nicht ausgehandelt. Der LWL wolle für die ambulante Betreuung nur zweieinhalb Stunden pro Woche ansetzen. „Eine halbe Stunde am Tag ist wenig, das kann zur Vereinsamung führen“, so Anger. Die Drohgebärden des LWL nimmt sie nicht allzu ernst: Der Verband sei bei seinem letzten Versuch, die Wohlfahrtsverbände zugunsten privater Anbietern auszubooten, vor Gericht gescheitert.

Die Eltern der Behinderten dagegen ängstigen die Versuche des Landschaftsverbands, sich als Privatisierer der Behindertenhilfe zu profilieren. „Man kann nur hoffen, dass sich keine schwarzen Schafe auf dem Rücken der Behinderten bereichern“, so Wilhelm Büker, Sprecher der Eltern und Angehörigen von Behinderten in NRW. Außerdem seien die Sparpläne des LWL nicht zu Ende gedacht: „Was tun wir mit den Behinderten, die mit der ambulanten Betreuung nicht klar kommen, haben die dann wieder Anspruch auf einen Platz im Heim?“ Außerdem halte er nichts davon, dass alle Menschen mit leichter Behinderung aus den Heimen geholt würden und dort nur noch die Schwerstbehinderten übrig blieben.

Der Landschaftsverband im Rheinland hat der Wohlfahrtspflege bisher noch nicht mit Privatisierung der Behindertenhilfe gedroht, so Pressereferentin Sonja Borghoff-Uhlenbroich zur taz. Aber natürlich sei man auch im Rheinland dazu gezwungen, gegen den Kostendruck etwas zu unternehmen. „Auch wir verhandeln mit Caritas und Diakonie über ambulante Angebote.“

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