: BUND: Rot-Rot produziert zu viel heiße Luft
Der Umweltverband BUND zerpflückt die klimaschutzpolitischen Ziele des Senats: „Hilflos und nicht schlüssig“ sei sein neues Energieprogramm
Wenn der Senat heute den Bürgern im Roten Rathaus seine klimaschutzpolitischen Ziele vorstellt, dürfte die Atmosphäre reichlich aufgeheizt sein. Denn pünktlich zu der Anhörung zum neuen Landesenergieprogramm meldet sich der Umweltverband BUND zu Wort – mit massiver Kritik an den umweltpolitischen Zielen des rot-roten Senats, die in dem Programm formuliert sind.
„Das Programm ist hilflos, setzt keine Impulse und schöpft nicht einmal bestehende Möglichkeiten aus“, sagte BUND-Geschäftsführer Andreas Jarfe gestern. Statt ein schlüssiges Konzept vorzulegen, habe die Verwaltung ein „Patchwork verschiedener energiepolitischer Maßnahmen“ zusammengeschustert.
Im Landesenergieprogramm 2005–2008 hat der Senat niedergeschrieben, wie er den Ausstoß von Treibhausgasen in der Stadt verringern und Energie sparen will. Auf 39 Seiten erklärt die Behörde, wie sie die Kohlendioxid-Emissionen bis 2010 um 25 Prozent gegenüber 1990 reduzieren will. Dabei lobt sie sich erst mal kräftig selbst: Bis 2002 habe der Kohlendioxid-Ausstoß schon um 14 Prozent abgenommen. Der BUND kritisiert, dass die Verwaltung dabei den Mauerfall und die Folgen elegant außen vor lässt. „Ganze Industriezweige sind zusammengebrochen, viele Leute weggezogen. Die Verwaltung rühmt sich mit dem Wall-Fall-Profit“, sagt Jarfe. Er glaubt nicht, dass sie mit dem Entwurf ihr ehrgeiziges Ziel – ein Viertel weniger Kohlendioxid – erreicht.
Der Senat verspricht zum Beispiel, sich für die Nutzung erneuerbarer Energien wie Sonnenenergie und mehr umweltfreundliche Blockheizkraftwerke in Wohnungen und Mietshäusern einzusetzen. Gleichzeitig kann das hochverschuldete Land Eigentümer aber nicht mehr finanziell unterstützen. Und der Senat bleibt, wenn er sich mal zu einer Vorschrift durchringt, zu feige, findet Jarfe. So sollte nach einer Sanierung der Energieverbrauch der Heizung bei unter 130 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr liegen, schreibt die Behörde. „Das ist eine lächerliche Zahl“, so Jarfe. Schon jetzt liege der Durchschnitt trotz vieler Altbauwohnungen in Berlin bei rund 150 Kilowattstunden. „Die Eigentümer in den Bauordnungen stärker in die Pflicht zu nehmen, würde das Land keinen Cent kosten.“
Beim Verkehr, dem anderen wichtigen Treibhausgas-Produzenten, ist die Analyse der Behörde pessimistisch. Aufgrund des „stark eingeschränkten Handlungsspielraums“ sei klar, „dass auch bei Umsetzung aller Maßnahmen mittelfristig das Ziel einer Senkung der verkehrsbedingten Klimagasemissionen nicht erreicht werden kann“. Die Behörde will beispielsweise das Radwegenetz ausbauen, den öffentlichen Nahverkehr attraktiver machen und mehr Erdgasfahrzeuge anschaffen. Die Formulierungen bleiben im Programm allerdings oft wolkig, etwa bei der Parkraumbewirtschaftung. Eine „schrittweise Ausweitung (…) und eine Differenzierung der Gebührenhöhe“ sei nötig, schreibt die Verwaltung. Viel zu vorsichtig, findet BUND-Geschäftsführer Jarfe. „Der Senat setzt auf fließenden Autoverkehr, andererseits hofft er, dass die Leute umsteigen.“ Er fordert die deutliche Anhebung und Ausweitung der Parkgebühren, den Ausbau von Tramlinien und mehr Busspuren in der Stadt. „Wenn ein Autofahrer im Stau steht und rechts der Bus schnell vorbeifährt, ist das das wirksamste Argument für den Umstieg in den Nahverkehr.“
Der Umweltverband fordert das Land auf, eine „ungeschminkte Bilanz“ seiner Energiepolitik vorzulegen und Spielräume, die die Energieeinsparverordnung des Bundes einräumt, konsequent zu nutzen. „Der Senat muss die öffentliche Anhörung ernst nehmen“, sagt Jarfe. In Kraft treten könnte das Programm Anfang des Jahres, wenn das Abgeordnetenhaus zugestimmt hat. ULRICH SCHULTE
BürgerInnen und Fachleute können das Landesenergieprogramm (www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/klimaschutz/landesenergieprogramm) heute diskutieren. Die Anhörung beginnt um 16.30 Uhr im Roten Rathaus.
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