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Archiv-Artikel

Ganz nah dran an Atlantis

Ein promovierter Meeresgeologe sucht seit Jahren nach der geheimnisvollen Insel

Spielvogel ist sich dessen bewusst, dass er ein ganz heißes Eisen anpackt

Gernot Spielvogel steht in seinem Wohnzimmer mit Blick über den Bodensee. In der Hand hält er einen Stein, der für ein Stück Menschheitsgeschichte stehen könnte. Um diesen Stein rankt sich die neueste Theorie des promovierten Meeresgeologen – und sie hat nur am Rande mit seinem Fachgebiet zu tun.

Spielvogel wagt einen ganz ungewöhnlichen Wurf – und er ist sich dessen bewusst, dass er als seriöser Wissenschaftler ein ganz heißes Eisen anpackt. Er ist überzeugt, nach fünf Jahren Forschung den Standort von Atlantis entdeckt zu haben. Genau gesagt, wollen er und seine Kollegen nach eigenen Angaben auf Poseidonia (auch: Poseidonis), die Hauptstadt des einst von Platon beschriebenen Weltreichs Atlantis, gestoßen sein. „Wir haben sie entdeckt, wir haben eine Ortung und sind jetzt dabei, eine Expedition zu starten, um den Nachweis zu erbringen!“ Man stütze sich nicht auf einen vagen Hinweis, sondern habe ein exakt einzugrenzendes Gebiet bereits durch Vorexpeditionen überprüft, versichert der Wissenschaftler. „Ich werde jetzt natürlich nicht sagen, wo genau wir diese sagenhafte Stadt entdeckt haben, das ist unser Betriebsgeheimnis. Aber sie liegt im Bereich der Azoren, wo sie ja auch schon mehrfach vermutet wurde.“

Der Berliner Philosoph Wilhelm Schmid sagt, Philosophen seien in Sachen Atlantis durchaus skeptisch. Gleichwohl findet er einiges überaus Reizvolles an Spielvogels Ausführungen. „Faszinierend ist es schon, Wahrscheinlichkeiten hin oder her.“ Immer wieder hätten wir feststellen müssen, dass sich eine Legende nach der anderen als wahr erweist, die Entdeckung von Troja zum Beispiel. Sollte tatsächlich die Ortung von Atlantis erfolgt sein, dann – so Schmid – „wäre das eine noch größere Sensation als Troja“. Es würde bedeuten, dass die Kulturentwicklung der Menschheit nochmals zeitlich vorverlagert werden müsste.

Während sich der Philosoph so seine Gedanken darüber macht, was für Auswirkungen die Entdeckung von Atlantis haben würde, während er von einem „Erdbeben, das um die Welt ginge“, spricht, bereitet der Forscher Gernot Spielvogel vom Bodensee aus weiter eine große Expedition ins Zielgebiet des versunkenen Kontinents Atlantis vor. Er erklärt, wie er sich mit seiner Kernmannschaft, das sind er und vier weitere Geologen, über das Studium des Platon-Berichts und über Kartenmaterial langsam herangetastet hat an den wahren Standort des versunkenen Kontinents. „Wir haben sehr detaillierte Karten immer wieder mit Platons Beschreibungen verglichen. Dann haben wir vor Ort gesucht: Gibt es Spuren an Land, gibt es Spuren auf See? Dabei kam ein eindeutiges Ja heraus. Die Datendeckung lag anfänglich bei 60 Prozent, dann hatten wir eine Datendeckung von 80, schließlich gar von über 90 Prozent, wobei sich Spuren vom Land ganz eindeutig mit Spuren auf dem Meeresgrund deckten.“

Dabei handele es sich nicht nur um geologische, sondern auch um archäologische Beweise: Unter anderem habe man Steine – von Menschenhand bearbeitete Steine – aus der Zeit von Atlantis entdeckt und geborgen. Der Geo-Wissenschaftler, der viele Extremexpeditionen unternommen hat und Globetrotter bei der Vorbereitung auf ungewöhnliche Abenteuerreisen schult, ist auch ausgebildeter Forschungstaucher. Er erzählt, dass er vor Ort schon Tauchgänge unternommen habe, „über den Resten der Stadt“, wie er sagt, die allerdings von Tauchern nicht erreicht werden könne: Zu tief sei die Hauptstadt von Atlantis im Meer versunken, seit sie vor 11.500 Jahren in Folge einer fürchterlichen Katastrophe in nur einem Tag und einer Nacht völlig vernichtet wurde. Dazu hat Spielvogel eine eigene Theorie: Ein Komet sei in grauer Vorzeit auf die Erde geprallt, dabei in sieben Teile zerplatzt. Einschläge habe es nicht nur im Atlantik gegeben, was zur Auslöschung von Atlantis geführt habe, sondern auch in den Alpen und unter anderem in Vietnam.

„Hier im Atlantis-Institut haben wir so ein Fundstück, einen Teil dieses Impaktors“, versichert der Forscher aus Leidenschaft und bittet seinen Besucher zu einer großen Glasvitrine. „Sehen Sie hier, dieses Fundstück haben wir geborgen!“ Beim Untergang von Atlantis seien gewaltige, aber lokal begrenzte Schäden aufgetreten – allerdings mit weltweiten Folgen.

„Ich verstehe es“, so Spielvogel, „wenn mich jetzt mancher für einen Spinner hält. Aber wer mich kennt, der weiß, dass ich mich gründlich mit den Dingen beschäftige, bevor ich etwas behaupte, und dass ich alles daran setze, meine Ideen zu beweisen.“ Die Vorbereitungen für die Untersuchungen vor Ort liefen bereits; das nötige Geld – schließlich brauche man für das Forschungsschiff und die Expedition rund zwei Millionen Euro – soll durch die Kurse für Globetrotter an dem Privatinstitut in Überlingen und durch Mäzene aufgebracht werden, die sich selbst an der Expedition beteiligen können.

Bei einem anschließenden Diavortrag im großen Saal des Atlantis-Instituts erläutert Spielvogel im Detail, welche geologische Bedeutung die von ihm fotografierten Gesteinsstrukturen sowohl unter Wasser als auch auf dem Festland haben. Er schließt mit den Worten: „Das Gute daran: Ich bin nicht allein. Es sitzen bei uns mehrere Leute, die warten alle nur auf ein Kommando, dann kann es sofort losgehen!“

KLAUS WITTMANN