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Archiv-Artikel

Endstation Oberliga

AUFSTIEGSANGST Hamburgs Fußball-Oberligisten schrecken vor dem Aufstieg in die Regionalliga zurück. Sie können ihn sich nicht leisten. Die Regionalliga wird so zum Übungsfeld für den Profi-Nachwuchs

„Die Oberliga ist die traurigste Liga Deutschlands“

Manfred Nitschke, Coach von Bergedorf 85

Es hatte einen morbiden Charme, als im Dezember 2008 das Nachholspiel der Regionalliga zwischen Altona 93 und dem 1. FC Magdeburg an einem Mittwoch um 14 Uhr begann. „Kann nicht, Termin beim Arbeitsamt“, war der ironische Konter auf dem Transparent eines AFC-Fans in Richtung Deutscher Fußball-Bund (DFB), der diesen unmöglichen Termin zu verantworten hatte.

Altona war schon zu Beginn der Saison wegen restriktiver DFB-Normen von der angestammten Adolf-Jäger-Kampfbahn zum Rivalen Victoria Hamburg an die Hoheluft gezogen. Dem DFB war jedoch auch hier noch das Flutlicht zu schwach, deshalb die groteske Anstoßzeit.

Mit dem Umzug begann eine beispiellose Talfahrt nach dem Aufstieg in die vierthöchste Spielklasse, an deren Ende der mehr oder weniger gewollte Wiederabstieg in die Oberliga stand – und die Erfahrung, dass es für aufstrebende Traditionsvereine jenseits der so genannten Hamburg-Liga nichts zu holen gibt. „Die Kosten sind zu hoch, die Einnahmen zu gering“, bringt es AFC-Präsident Dirk Barthel auf den Punkt.

So wird in der Regionalliga eine Stadiongröße von mindestens 10.000 Plätzen gefordert, zwölf Lizenzspieler müssen gemeldet, drei hauptamtliche Geschäftsführer beschäftigt sein. Hinzu kommen die Sicherheitsanforderungen. Barthel spricht von einem Etat von rund einer Million Euro. Auf der Einnahmeseite stehen stiefmütterliche TV-Gelder im fünfstelligen Bereich sowie bescheidene Regionalsponsoren.

Während die Fans des Oberliga-Zweiten Altona 93 froh sind, dass ihre Mannschaft wieder an der heimischen Griegstraße in Bahrenfeld spielt, strebt nun Victoria nach Höherem. Der Tabellenführer in der Oberliga ist für die Regionalliga zwar sportlich gerüstet. Jedoch: „Der DFB will die kleinen Amateurvereine da gar nicht haben“, klagt „Vicky“-Präsident Helmuth Korte. Wichtig sei diese Liga bloß als Sammelbecken für den Nachwuchs der Profiteams. Alleine in der Regionalliga Nord tummeln sich sechs Nachwuchsteams, in allen drei vierten Ligen sind es 21.

Eine besonders skurrile Blüte trieb das Aufstiegsrennen in der Oberliga Hamburg vorige Spielzeit, als die ersten vier Teams den Aufstieg nicht stemmen konnten und somit die zweite Mannschaft des FC St. Pauli jubeln durfte, die auf Platz fünf der Tabelle stand. Diesmal ist das Bild ähnlich: Meister „Vicky“ vorne, Absteiger Altona dahinter. Nur fehlt der Anwärter danach.

Der DFB schaltet auf stur: „Dass sich Vereine sportlich qualifizieren, aber nicht in die nächsthöhere Klasse aufsteigen können, hat es immer gegeben“, lautet der lapidare Kommentar von DFB-Direktor Helmut Sandrock. Diese Situation tritt aber viel häufiger ein, seit sich 2007 mit der Einführung der eingleisigen Dritten Liga auch die vierte Liga grundlegend veränderte: Aus den einst regional verankerten Regionalligen wurden drei flächendeckende. Hamburg gehört zum Nordosten, so dass Altona 93 bis an die Grenze Polens kutschieren musste. „Der Sprung von der vierten in die dritte Liga ist kleiner als der von der Oberliga eine Klasse höher“, vermutet Barthel.

„Die Oberliga ist die traurigste Liga Deutschlands“, findet der Coach von Bergedorf 85, Manfred Nitschke. Auch die traditionsreichen „Elstern“ sind ambitioniert. Vorige Saison führte man lange die Tabelle an, ging an die finanziellen Grenzen, um das Projekt Regionalliga anzugehen – und musste kurz vor Torschluss klein beigeben.

Während die Proficlubs ihren jeweiligen Unterbau mästen, gucken die anderen Vereine in die Röhre. Die Diskrepanz zu Etats in bis zu zehnfacher Höhe ist einfach zu groß. „Wir sind nicht für die Wirtschaftlichkeit der Vereine zuständig“, wischt Sandrock jegliche Verantwortung des DFB vom Tisch. MARTIN SONNLEITNER