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Archiv-Artikel

Händeschütteln und eine Arbeitsgruppe

In Warschau reden Angela Merkel und ihr antideutscher polnischer Gastgeber Marcinkiewicz viel von Wahrheit und Vertrauen. Zur deutsch-russischen Gas-Pipeline wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt, über andere strittige Themen wird geschwiegen

Anders als in Paris und London traf Merkel auch den Chef der Oppositionspartei

AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER

Angela Merkels Polenreise war eine heikle Mission. Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte dort vor wenigen Wochen die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen mit antideutschen Parolen gewonnen. Die ersten Gespräche zwischen den neuen Regierungschefs und Außenministern in Deutschland und Polen sollten vor allem klären, wie es in den deutsch-polnischen Beziehungen demnächst weitergehen soll: Konfrontationskurs oder partnerschaftliche Solidarität.

„Wir müssen uns die Wahrheit über die Vergangenheit sagen“, bekannte Polens Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz gleich nach seinem Treffen mit der Kanzlerin. Diese „Wahrheit“ sagte Polens Regierungschef, werde einen Neuanfang in den deutsch-polnischen Beziehungen ermöglichen. Merkel meinte: „Die Wahrheit muss auf den Tisch. Erst sie ermöglicht vertrauensvolle Zusammenarbeit.“

Doch dann erwähnte keiner von beiden die strittigen bilateralen Themen: das in Berlin geplante Zentrum gegen Vertreibungen und die Reparationsforderungen der Polen für die deutschen Zerstörungen in Polen im Zweiten Weltkrieg. Das Ziel des ersten Besuchs der Bundeskanzlerin und des Außenministers Frank-Walter Steinmeier in Polen war aber auch zunächst nur das Kennenlernen der künftigen Partner in Warschau. Die Lösung der schwierigen Fragen hebt man sich für später auf.

Klar wurde aber, dass es anders als von den Polen erhofft, keine Neuverhandlung des Vertrages über die deutsch-russische Gas-Pipeline durch die Ostsee geben wird. Polen fühlt sich durch das deutsch-russische Projekt übergangen. Merkel bot daher in Warschau an, dass auch Polen an der Ostsee-Pipeline mit einer Stichleitung beteiligt werden könne. „Aus unserer Sicht steht der Zugang zu dieser Pipeline auch Dritten offen“, meinte sie.

In polnischen Medien war dann allerdings zu lesen, dass die Frage der Gas-Pipeline „für Merkel offen“ und also doch verhandelbar sei. Die auf Vorschlag der Deutschen eingerichtete gemeinsame Arbeitsgruppe soll sich in den nächsten Wochen genauer mit der Ostsee-Pipeline befassen: „So werden wir Schritt für Schritt das Problem lösen“, erklärte Merkel in Warschau und meinte damit vor allem die Beruhigung der Polen. Die Pipeline sei nicht gegen Polen gerichtet und bedrohe das Land auch nicht. Wenn Polen sich an dem Projekt beteiligen wolle, könne es dies gerne tun.

Marcinkiewicz warb bei Merkel um Unterstützung bei den EU-Budgetverhandlungen für die Jahre 2007 bis 2013. Die Kürzungsvorschläge des britischen Premiers Tony Blair, der zurzeit die EU-Präsidentschaft innehat, würden Polen sechs Milliarden Euro an bereits eingeplanten Strukturhilfen kosten. Merkel, der an guten Beziehungen zu Polen gelegen ist, sagte zu, sich um einen „fairen Kompromiss“ zu bemühen.

Zu den antideutschen Ressentiments im Wahlkampf wollte sich Marcinkiewicz nicht äußern. „Ich habe keine bemerkt“, meinte er. Deshalb könne auch von einer Überwindung dieser Tendenzen keine Rede sein: „Etwas, das es nie gegeben hat, kann auch nicht beendet werden.“ Diplomatisch fügte Merkel an: „Ich habe gehört, dass deutsche Unternehmer in Polen willkommen sind. Das ist ein gutes Signal für Deutschland.“

Anders als in Frankreich und Großbritannien, wo Merkel nur den Staats- und Regierungschefs ihre Aufwartung machte, traf sie sich in Polen auch mit Donald Tusk. Der Vorsitzende der liberalen Bürgerplattform (PO), der Schwesterpartei der CDU in Polen, hätte fast die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Doch Marcinkiewicz’ nationalkonservative Partei warf Tusk einen Großvater in Wehrmachtsuniform, deutsche Sprachkenntnisse der Eltern und eine gewisse „Deutschfreundlichkeit“ vor. Das kostete ihn den Sieg.

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