: Die Kaiserzeit steht uns gut
Prüfend wird an Türrahmen geklopft, die Besucher bewegen sich wie eine Gastgesellschaft in herrschaftlichem Haus. Beim ersten Tag der offenen Tür im renovierten Bode-Museum in Berlin
VON JOCHEN SCHMIDT
Nasskaltes Wetter, unter uns fließt grau die Spree. Von ferne leuchten die Fenster des Bode-Museums, ein ungewohntes Bild. Das Rondell mit der provisorischen Fußgängerbrücke über den Fluss, früher eine dieser stillen, vergessenen Ecken mitten in der Hauptstadt, im Rücken von Museumsinsel und Universität. Damit ist es jetzt vorbei, das wieder hergestellte Museum wird mit Sicherheit ein Publikumsmagnet werden. Beim Tag der offenen Tür war am vergangenen Wochenende die Schlange schon einmal lang, die Berliner wollten sich ihr neues Schmuckstück ansehen. Man trinkt Glühwein und Kaffee, es fehlt zwar an Papierkörben, aber die zurückgelassenen Pappbecher werden sauber ineinander gestapelt.
Man erinnert sich an früher, die gefürchteten sonntäglichen Museumsbesuche mit der ganzen Familie. Das Einzige, womit man uns vom Fernseher weglocken konnte, war das Versprechen auf den „dornausziehenden Knaben“ im Pergamonmuseum. Aber wenn man schon einmal auf der Museumsinsel war, musste man auch noch in die Nationalgalerie zu den Ölschinken und schließlich ins Bode-Museum, das abschreckendste der drei Gebäude. Hier war alles versammelt, womit man Kinder das Gruseln lehrt: Münzkabinett, deutsche und italienische Plastik, die altchristlich-byzantinische Sammlung, ein Miniaturenkabinett und als Höhepunkt der Langeweile eine Dauerausstellung des Kunstgewerbemuseums „Mobiliar und Kunsthandwerk des 17. und 18. Jahrhunderts“.
Lange war es verbaut und fast vergessen, jetzt haben die Staatlichen Museen zu Berlin, in ihrer Gesamtheit ein selbst erklärtes „Universalmuseum der Menschheitskultur“, einen Stützpfeiler mehr. In der gewaltigen Kuppelhalle überrascht das überdimensionierte Reiterstandbild des „Großen Kurfürsten“, in der DDR war dieser Herr nicht opportun. „Furchtlos und beharrlich“ steht in goldenen Lettern unter einem der vier weißen Adler über unseren Köpfen. Goldene Porträts von Friedrich dem Großen bis Kaiser Wilhelm fallen auf. Liebevoll ist restauriert worden, bei den Bauarbeiten wurde die Quaderzeichnung der Kuppel entdeckt und wieder hergestellt, jetzt sieht sie gemauert aus, was doch schöner sei.
Die Besucher bewegen sich wie eine Gastgesellschaft in herrschaftlichem Haus. Prüfend wird an Türrahmen geklopft, man wischt mit dem Zeigefinger über Fensterbretter, ob sich Staub findet, über das Parkett wird gerutscht, ob es auch glatt ist. Hier und da erfüllt Kindergeschrei die Hallen. Die vielfältigen Räume sind eindrucksvoll, besonders weil sie noch leer sind, die Kunstwerke kommen ja später. Weite, frisch duftende Parkettflächen, helle, makellos gestrichene Wände, sanftes Naturlicht fällt durch das Deckenglas. Alles wirkt wie die neue Wohnung kurz vor dem Einzug. Man fragt sich unweigerlich, wo man den Fernseher hinstellen würde.
Fetzen von Führungen schnappt man auf: „… Schlosstreppe … Bezüge in der Bildlichkeit … eine Architektur half die andere erklären … Originallüster aus dem Stadtschloss …“ Schließlich fällt der Begriff „Terracottaaltarretabel“, und man wägt noch einmal ab, ob es richtig war, doch nicht Kunstgeschichte zu studieren.
Die wechselvolle Geschichte des Hauses: 1904 zu Kaisers Geburtstag eingeweiht. Schon 1920 mussten die Tafeln des berühmten Genter Altars nach Belgien gegeben werden, der Versailler Vertrag verlangte es so. 1945 wurde aus Kohlenmangel das verquollene Parkett verheizt, viel wurde geplündert, die Russen nahmen den Rest. 1952 wurde die Kuppel aus Mangel an Kupfer mit Schiefer gedeckt. Der Name Kaiser-Friedrich-Museum war 1956 nicht mehr tragbar, aber das DDR-Kulturministerium war skeptisch, ob die Berliner das Bode-Museum nicht bald als Bade-Museum verspotten würden. Tatsächlich war die Anschaffung von Badewannen zum Auffangen des von den Glasdächern tropfenden Regen- und Tauwassers fast so entscheidend wie für Bode die Anschaffung von Kunstwerken.
1987 kamen zur 750-Jahr-Feier Berlins die Standbilder der „rehabilitierten“ preußischen Generäle in die kleine Kuppelhalle zurück, der Anfang einer Entwicklung, die kürzlich bei der offiziellen Übergabe des renovierten Baus durch Minister Tiefensee ihren Höhepunkt fand. Stolz zeigten sich die Politiker; die späte Kaiserzeit und ihr neobarocker Baustil scheinen dem neuen Deutschland zu stehen. Von „hässlichen Brachen im Zentrum“ sprach der Minister, die es nun zu schließen gelte, womit er den Palast der Republik meinte. Ein Sachse (Ulbricht) riss das Stadtschloss ab, ein Sachse will es wieder aufbauen. Ob unsere Stadtplanung irgendwann wieder von Berlinern gemacht wird? Denn das herrliche Bode-Museum, das die Hohenzollern feiert, gewinnt an Wirkung, wenn der Palast bleibt, und beide einander zu erklären helfen.