Kolumne Press-Schlag: „Neue Leute, neue Lieder“
Dem FC Bayern München sind die Anhänger in der Südkurve schon lange lästig. Nun versucht der Klub sie aus dem Stadion zu treiben.
O kay, Benfica Lissabon hat noch ein paar tausend Mitglieder mehr, aber das ist auch nur eine Frage der Zeit, bis der FC Bayern nicht nur der aktuell erfolgreichste und festgeldkontomäßig stabilste Klub ist, sondern auch der mit den weltweit meisten Vereinsmitgliedern. Er ist aber auch: der Klub mit der miesesten Stimmung im Stadion, Triple-Sieg hin oder her.
Von dem alten Schmähgesang „Keine Stimmung, keine Tore: FCB!“ ist zumindest Teil eins gültiger denn je. Seit Jahr und Tag werden die Fans des Rekordmeisters von jedem noch so dünn besetzten Gästeblock niedergesungen – ein Armutszeugnis. Schon in den 70ern klagte Franz Beckenbauer über das „Opernpublikum“ im weitläufigen Olympiastadion.
Auch in der Fröttmaninger Fußballarena ist man von einer Hexenkesselatmosphäre wie in Dortmund oder in Mainz Lichtjahre entfernt. Einzig ein paar hundert Unentwegte in der Südkurve ließen sich, umgeben von all den erfolgsverwöhnten Kurzzeitfans, nicht vom wahren Anhängertum abbringen – bis zum ersten Spiel der neuen Saison. Da blieb der harte Kern, die Stimmungszentrale des Klubs, einfach zu Hause.
Da, wo sonst zehn von zehn Fangesängen angestimmt wurden, klaffte bei der Premierenpartie am vergangenen Freitag gegen Borussia Mönchengladbach (3:1) ein Loch. In den Blöcken 112 und 113 stehen normalerweise 2.100 Menschen mit hohem Rotanteil in ihren Klamotten und mit reichlich Bayern-Blut im Herzen. Doch zum ersten Punktspiel dahoam seit dem historischen Triple-Gewinn passierten nur 1.635 Fans die Drehkreuze.
„Bewusste Zerschlagung der aktiven Fanszene“
Snowdenleaks könnte für Internetaktivisten sein, was Tschernobyl für die Atomkraftgegner war. Aber schafft es die Netzbewegung, diese Chance zu nutzen? Die große Geschichte „Was tun! Aber was?“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 17./18. August 2013. Darin außerdem: Ein Gespräch mit dem politischen Kabarettisten Georg Schramm, eine Reportage über Frauen im Kosovo, die nach dem Krieg neues Selbstbewusstsein entwickeln. Und der sonntaz-Streit zur Frage: Macht Taschengeld Kinder zu Materialisten?
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Ja, richtig gehört: Der FC Bayern hat den Zugang zu Herz und Bauch des Klubs mit Drehkreuzen geregelt. Der Verein moniert seit vielen Jahren, dass zu viele Fans in gewissen Blöcken der Südkurve stehen, die dort gar nicht stehen dürften, sondern sich eigentlich ganz woanders niederlassen müssten.
Die Fanklub-Dachorganisation „Club Nr. 12“ spricht nun von einer „bewussten Zerschlagung der aktiven Fanszene“, da der Kern der Stimmungsmacher durch die nun strikte Platzzuteilung gespalten wurde. Man habe „nicht den Eindruck, dass der FC Bayern mit den Fans, die die vergangenen Jahre Stimmung gemacht haben, in die Zukunft gehen möchte“.
Der Streit zwischen Südkurve und Klub schwelt wie gesagt schon länger. Hoeneß und Co. missfallen pyrotechnische Auswüchse und auch so manch unbequemes, weil kritisches Plakat. Der Verein hat in dem ehemaligen Torwart Raimond Aumann zwar einen Abteilungsleiter für Fan- und Fanklubbetreuung im Sold, zu sehen oder sprechen ist der jedoch nie.
Vor ein paar Jahren hat man nun einen Mediator installiert: Prof. Dr. Wolfgang Salewski, Polizeipsychologe, Psychologe der GSG 9, Berater der Kanzler Schmidt und Kohl, Verhandlungsführer bei der Entführung der „Landshut“ 1977 in Mogadischu.
Seine Analyse der Südkurvenproblematik: Es gebe 600 sogenannte Stimmungsaktive und etwa genauso viele Situationsaktive – gar kümmerliche Zahlen, wenn man an die 20.000 Mann starke gelbe Wand in Dortmund denkt.
Doch auf die 600 oder 1.200 Krakeeler glaubt Salewski gut verzichten zu können, spricht von einer Übergangszeit und formuliert im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung folgendes Ziel: „Den gesamten Block neu organisieren: neue Leute, neue Lieder. Dann baut sich da wieder was auf.“ Dass dabei ein Stück Fankultur kaputtgeht, nimmt man wohl in Kauf.
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