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Archiv-Artikel

Der Keineweltladen

UPCYCLING In Berlin öffnet ein Geschäft, das Designerware aus Müll verkauft. Nicht billig, aber fair

Sie tragen Kaffeesäcke auf dem Kopf. Das gehört zu ihrem Konzept. Eric Pieper und Stanislaus Teichmann sind stolz auf ihre Kopfbedeckung, ein Familienbetrieb in El Salvador hat die Säcke in trendige Mützen verwandelt. Auch sie sollen am Samstag über die Ladentheke gehen, die die beiden gerade noch aus alten Weinkisten zimmern. Am Wochenende wollen sie ihr Geschäft eröffnen. Es gibt noch viel zu tun, trotzdem lassen sie sich nicht aus der Ruhe bringen. „Das wird ein Senkrechtstarter,“ sagt Teichmann. Dann öffnet er mit seiner Gürtelschnalle ein Bier.

Noch ist Platz im Laden, Kisten stehen herum. „Wenn das fertig ist, wird das richtig porno“, sagt Teichmann. An einer selbst gebastelten Konstruktion aus Metallrohren hängen bereits Handtaschen aus alten Getränkebeuteln, die eine Frauenkooperative auf den Philippinen hergestellt hat, daneben Gürtel aus alten Fahrradschläuchen. Auf einem Regal stehen Schuhe aus abgetragenen Jeans und Lkw-Schläuchen. „Bei uns kommen nur wiederverwertete Sachen rein“, sagt Pieper. Seine Füße stecken in Recyclingschuhen. Das Jackett, das sein Geschäftspartner trägt, hat ein Hamburger Designer aus alten Zimmermannshosen geschneidert.

Alles im Laden besteht aus Stoffen, die sonst auf dem Müll gelandet wären. „Upcycling“ heißt dieser Trend, der wie so oft aus den USA kommt. In Deutschland ist das noch eine Nische. „Die Ressourcen dieser Erde werden knapp, und trotzdem produzieren wir weiter Müll ohne Ende“, sagt Teichmann. Ihre Produkte sollen nachhaltig sein, vor allem aber trendig und einzigartig. Trotzdem sagt er: „Wir sind kein Dritteweltladen. Wir verkaufen geile Scheiße.“

Ein bisschen Weltverbesserer wollen sie dann doch sein. Ihren Lieferanten bezahlen sie mehr als den marktüblichen Preis. Sie achten auf faire Arbeitsbedingungen, egal ob in Deutschland oder El Salvador. Das spiegelt sich auch im Preis wider. Der Schrank aus alten Bootsplanken kostet 900 Euro, die Designerlampe aus Kleiderbügeln und einer Fahrradfelge stolze 400 Euro. Kühlschrankmagnete aus Kronkorken gibt es für fünf Euro. Alles ist wiederverwertet, alles ist käuflich. Selbst die Einrichtung.

Die Idee zum Laden kam den beiden Jungunternehmern vor drei Jahren am Küchentisch. Teichmann, 31, legte sein Studium in International Management auf Eis und löste seinen Bausparvertrag auf. Pieper, 27, steuerte seinen alten Kastenwagen bei. Als Startkapital mussten 5.000 Euro reichen, die Kontakte zu ihren Lieferanten in aller Welt knüpften sie über das Internet.

Mit einem Flohmarktstand im Berliner Mauerpark fing es an – keinen Kilometer Luftlinie von ihrem neuen Geschäft in Prenzlauer Berg entfernt. „Uns war von Anfang an klar, dass wir in die Kastanienallee wollen“, sagt Teichmann. Auch wenn die Miete hoch ist – hier kauft ihre Zielgruppe ein, die sie in ihrem Businessplan genau analysiert haben: Menschen, die Wert auf Nachhaltigkeit legen und gleichzeitig individuell sein wollen. Und dafür das nötige Kleingeld haben.

Pieper und Teichmann wollen ihren Kunden Freigeist ohne Mainstream bieten. „Mainstream ist, wenn du so bist wie alle anderen“, sagt Teichmann. Es ist ihnen deshalb wichtig, dass ihre Produkte Unikate sind, keine Massenware. Aber auch Bioprodukte waren mal eine Nische, jetzt findet man sie in jedem Supermarkt. „Ich bin davon überzeugt, dass es funktioniert“, sagt Pieper. Auch wenn sie gerade noch an ihrem ersten Laden werkeln, soll schon im nächsten Jahr der zweite folgen. Der soll dann am besten gleich ganz aus Recyclingmaterial bestehen. STEFAN KORN, MORITZ LEHMANN