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Archiv-Artikel

Parole Schöpfkelle

Claude-Oliver Rudolph, der Bösewicht des deutschen Films, tut Gutes und teilt Suppe an Obdachlose aus – im „Café mit Herz“, das für den taz-Panter-Preis nominiert war

„Und an der Schöpfkelle, bekannt aus Film und Fernsehen: Claude-Ooooliver Ruuudolph!“ Tatsächlich, da stand er, der deutsche Film-Bösewicht vom Dienst, vor sich einen riesigen Suppentopf, und reckte die Arme nach oben. Ganz lässig, mit unbewegtem Gesicht. „Das ist alles nur Inszenierung“, flüsterte er.

In den Filmen ist Claude-Oliver Rudolph dieser Typ mit dem Narbengesicht, der plötzlich auftaucht, vielleicht mit einem Pitbull an der Leine, und von dem Moment an, wo er im Bild ist, kommt eine Unruhe rein. Irgendwie ist der Typ nicht geheuer. Haut er als nächstes jemand voll in die Fresse, ohne Vorankündigung? Lässt er den Hund los? Oder steckt der sich bloß eine Zigarette an?

Rudolph wird gerne als Schläger besetzt oder als Zuhälter. Sein Image als Bösewicht hat ihm die Ehre eines Auftritts in einem James-Bond-Film („Die Welt ist nicht genug“) eingebracht, wo er einen russischen Exoberst spielt. Gerüchte besagen, dass der Schauspieler mal Deutscher Meister im Kickboxen war, und er selbst bestätigt sein Image immer wieder gerne: „1.000 Liegestützen, danach Bankdrücken für Trizeps und Oberkörper, 50 Kilo“, gab er mal in der Zeit sein Trainingspensum an.

Jetzt steht er vor seinem Suppentopf, die Suppe dampft, draußen warten die Obdachlosen vor der Glastür. Die Presse ist da, sogar ein Fotograf der Bild-Zeitung, und irgendwas muss er tun, denkt Claude-Oliver Rudolph, und darum dröhnt er: „Was is jetzt? Das ist ja schlimmer als beim Dieter Wedel!“

Böse ist das nicht gemeint, Claude-Oliver Rudolph findet die Arbeit dieser Suppenküche ja gut, die jeden Tag über 100 Obdachlose speist. Holger Hanisch, diesen schmächtigen Mann, der Abende lang durch die Kneipen auf der Reeperbahn zieht und Geld sammelt für sein „Café mit Herz“, Holger Hanisch, der, so sagen die Mitarbeiter, für das Café „arbeitet, bis er umfällt“, Rudolph hat ihn in Berlin bei der Verleihung des taz-Panter-Preises kennen gelernt. Für den war das Café nominiert.

Also steht Rudolph jetzt vor einem dampfenden Kessel Gemüsesuppe. Gekocht hat er sie nicht, „dafür hätte er schon morgens um zehn da sein müssen“, sagt Jürgen, der Koch des „Cafés mit Herz“. Die heutige Ausgabe hat Jürgen mit „Hollandaise aufgefixt“, und er hat für die Suppe auch einen Spitznamen: „Bremerhavener Hochzeitssuppe“. „Also das ist nur ein Spitznamen“, sagt Jürgen. „Nichts gegen Bremerhaven.“

Inzwischen sind die Obdachlosen da, das Austeilen der Suppe erledigt Rudolph professionell, mit unbewegtem Narbengesicht. Nur sein Mund bewegt sich leicht, da ist ein Kaugummi drin. Nö, sagt er, probieren will er die Suppe nicht, wegen dem Kaugummi.

Während die Mitarbeiter des „Café mit Herz“ Nikolausmützen tragen, bevorzugt Rudolph eine Fellmütze mit Ohrenklappen. Das Fell sieht aus wie Leopard, ist aber Kunstfell. „Das ist Iltis“, sagt Rudolph und grinst. Für ein Foto in der Bild-Zeitung erklärt er sich sogar bereit, die Fellmütze abzunehmen. Allerdings setzt er stattdessen eine Sonnenbrille auf. Das ist er sich schuldig.

Vielleicht ist es gar nicht so einfach, Claude-Oliver Rudolph zu sein. In letzter Zeit hatte das Bad-Boy-Image ja etwas gelitten. Erst unternahm er diese Lesereise mit Texten von Klaus Kinski, die ihm gute Kritiken einbrachte, aber auch ziemlich intellektuell rüberkam. Dann kam die Geschichte mit dem Promiboxkampf auf RTL, wo er er gegen den EX-ARD-Moderator Pierre Geisensetter („Herzblatt“) verlor, nachdem er noch in der Kabine Karten gespielt hatte.

Und so kommt es, dass Rudolph die Dinge klarstellen muss. Ein Mann kommt her, er hat die offizielle Vorstellung verpasst und weiß nicht, mit wem er es zu tun hat. Aber er hat eine Ahnung. „Sie sind doch dieser ... dieser Schauspieler. Der auch Kickboxer ist.“ Rudolph fixiert den Mann, ohne das Gesicht zu verziehen, und kaut auf seinem Kaugummi. Über seinem breitem Brustkorb spannt eine gelbe Weste, Aufschrift: Suzuki Automobile“. „Ich“, sagt der Mann, „ich hab auch mal Tai Chi gemacht.“ Darauf Rudolph: „Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber ist das nicht Kickboxen für Schwule?“

Daniel Wiese