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Archiv-Artikel

Spanien will Wachstumssünder bestrafen

KONJUNKTUR Die spanische EU-Ratspräsidentschaft fordert eine abgestimmte und verpflichtende europäische Wirtschaftspolitik. Wer gegen Wachstumsziele verstößt, muss mit Sanktionen rechnen

MADRID taz | Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero hat Großes vor. Er will die sechs Monate der spanischen EU-Präsidentschaft nutzen, um die Union aus der Krise zu führen. Eine europaweite „Wirtschaftsregierung“ müsse her, verkündete der Sozialdemokrat am vergangenen Freitag, als er zusammen mit EU-Präsident Herman van Rompuy und dem Kommissionspräsidenten José Manual Barroso in Madrid seine EU-Präsidentschaft vorstellte.

Anders als bisher im Lissabon-Prozess vorgesehen, soll die Koordination der Wirtschaftspolitik verpflichtend sein. Mit „Fördermaßnahmen“, aber auch mit „korrigierenden Maßnahmen“ müssten die EU-Mitglieder dazu gebracht werden, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, damit die Union gestärkt aus der Finanzkrise hervorgehe. Zapatero verlangt ausdrücklich Sanktionen für die Länder, die gesteckte Ziele nicht erfüllen. Damit hätte die EU neben der Überwachung der Euro-Konvergenzkriterien ein weiteres Regulationsinstrument in der Hand.

Der Plan, den Zapatero unter den Namen „Strategie 2020“ stellt, soll erstmals am 11. Februar auf einem informellen EU-Gipfel zur Krisenbewältigung zur Sprache kommen. Geht es nach Zapatero, wird dann der Frühjahrsgipfel der Staats- und Regierungschefs erste Einigungen beschließen, um das Gesamtpaket beim Abschlussgipfel im Juni zu verabschieden. Zapatero spielt mit dem Gedanken, einen zusätzlichen Gipfel der 16 Länder der Eurozone einzuberufen.

Rompuy, der am 1. Januar das neue Amt des EU-Präsidenten übernahm, unterstützt Zapateros Idee. „Wir brauchen jetzt und in der Zukunft ein größeres Wirtschaftswachstum, um das europäische Lebensniveau beizubehalten“, erklärte der ehemalige belgische Ministerpräsident. Ihm schwebt ein Wachstum von mindestens 2 Prozent vor. Im dritten Quartal 2009 wuchs die Union der 27 um 0,3 Prozent und die 16 Mitglieder der Eurozone um 0,4 Prozent.

Doch nicht überall in Europa stößt Zapateros Idee auf Zustimmung. Während Frankreich für eine verbindlichere Koordinierung der Wirtschaftspolitik eintritt, stehen London und Berlin dieser Idee kritisch gegenüber. Am deutlichsten wurde Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). „Den Vorschlag, die Mitgliedstaaten zu sanktionieren, wenn sie die vorgegebenen Ziele nicht erfüllen, halte ich nicht für sinnvoll“, teilte der Pfälzer Liberale mit. Zwar unterstützt auch Brüderle eine Koordination der Wirtschaftspolitik, warnt aber davor, „hierfür eine neue Bürokratie zu schaffen“ – die es etwa in der Wettbewerbspolitik längst gibt. In Berlin dürfte auch die Befürchtung, die „gemeinsame Wirtschaftsregierung“ könne die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank beschneiden, eine wichtige Rolle spielen.

Auch in Spanien bekommt Zapatero Kritik zu hören. Der Wirtschaftsexperte der konservativen Opposition, Cristóbal Montero, wirft Zapatero vor, nichts als „die Arbeitslosigkeit und ein schwaches Land“ vorzeigen zu können. Spanien hat derzeit eine Arbeitslosenquote von knapp 20 Prozent. REINER WANDLER