piwik no script img

Archiv-Artikel

Debakel für WM-Generalprobe

ANGOLA Ein tödlicher Rebellenangriff auf Togos Fußballnationalmannschaft überschattet die Afrika-Meisterschaft

Für Angola ist das ein schwerer Schlag. Erst vor sieben Jahren fand das Land aus einem Bürgerkrieg heraus

VON DOMINIC JOHNSON

Es ist der denkbar schlechteste Auftakt zum Afrika-Cup CAN in Angola, Afrikas Generalprobe für die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika im Juni. Die Nationalmannschaft von Togo fiel noch vor Anpfiff bei der Anreise nach Angola aus ihrem Trainingsquartier im benachbarten Kongo-Brazzaville einem regelrechten Massaker zum Opfer. Der Fahrer, der Trainerassistent und ein Mannschaftssprecher wurden bei dem Überfall am Freitagnachmittag getötet, neun Spieler zum Teil schwer verletzt.

Laut Überlebenden wurde der Mannschaftsbus kurz nach dem Grenzübertritt in die angolanische Exklave Cabinda aus automatischen Gewehren beschossen. „Sie waren maskiert und bis an die Zähne bewaffnet“, berichtete der Spieler Thomas Dossevi. Mannschaftskapitän Emmanuel Adebayor sagte im BBC: „Wir schrien alle, riefen nach unseren Müttern, heulten am Telefon, wir dachten, unsere letzte Stunde hätte geschlagen.“

Zu dem Angriff bekannte sich die Separatistenguerilla FLEC (Befreiungsfront des Staates Cabinda), die seit Jahren für die Unabhängigkeit Cabindas kämpft. „Diese Kommandooperation ist erst der Beginn einer Serie von Operationen, die sich in ganz Cabinda fortsetzen wird“, erklärte der FLEC-Militärstab. FLEC-Generalsekretär Rodrigues Mingas äußerte sein Bedauern, dass es ausgerechnet die Togoer getroffen hatte: „Es hätte genauso der Bus der Ivorer oder von sonst wem sein können“, sagte er. „Wir sind im Krieg, da ist alles erlaubt.“ Die Angriffe würden weitergehen, bis Angola Verhandlungen unter UN-Aufsicht aufnehme.

Als Reaktion kündigte Togos Regierung am Samstag den Rückzug aus der CAN an. In der Nacht zu gestern hatten sich zwar die Spieler auf Drängen des Afrikanischen Fußballverbandes zum Weitermachen entschieden, aber Togos Regierung widersprach am Sonntag und drängte darauf, die Spieler ausfliegen zu lassen. Togos Präsident Gilbert Houngbo wollte sich endgültig am Sonntagabend zur CAN-Teilnahme äußern.

In Cabinda sollen sieben Spiele ausgetragen werden. Neben Togo residieren dort die Mannschaften von Burkina Faso, aus der Elfenbeinküste und aus Ghana. Adebayor erklärte, er habe mit den anderen Teams gesprochen: „Ich wünsche ihnen viel Glück, aber ich habe ihnen gesagt, dass sie jederzeit überfallen werden können. Sie waren nicht sehr begeistert über das Weitermachen, aber darüber entscheiden andere, und in sechs Monaten gibt es eine WM in Afrika.“ Gerüchten zufolge erwägt der ivorische Weltklassespieler Didier Drogba den Rückzug aus dem Turnier.

Für Angola ist das alles ein schwerer Schlag. Erst vor sieben Jahren fand das Land aus einem 30 Jahre währenden blutigen Bürgerkrieg heraus. Seitdem ist es mit gigantischen Ölfunden und zweistelligen Wachstumsraten eines der wichtigsten Boomländer Afrikas geworden. Der Afrika-Cup, in den der angolanische Staat Milliarden gesteckt hat, sollte die Rückkehr zu Frieden und Normalität markieren und Angola als regionalen Rivalen Südafrikas in Szene setzen.

Aber diese Rechnung wurde ohne Cabinda gemacht. Die kleine Exklave an der Atlantikküste ist vom Rest Angolas durch die zur Demokratischen Republik Kongo gehörende Kongoflussmündung getrennt und wollte am Ende der portugiesischen Kolonialherrschaft 1975 einen eigenen Staat. Doch Cabinda und vor allem seine Küstengewässer sind sehr ölreich und daher für Angola unverzichtbar. Derzeit sind in Cabinda 50.000 Soldaten stationiert, aber die regelmäßige Behauptung, die Unabhängigkeitsbewegung FLEC sei zerschlagen, stimmt ganz offenbar nicht.

Die Verantwortlichen versuchen zu beschwichtigen. Angolas Premierminister Paulo Kassoma sagte, der Rebellenangriff sei ein „isolierter Akt“. Dazu passt, dass laut Korrespondenten in Cabinda die Sicherheitsvorkehrungen vor den Hotels der Fußballer nicht verstärkt worden sind. In Angolas Hauptstadt Luanda hingegen schwärmte gestern schwer bewaffnetes Militär aus – wohl vor allem zum Schutz des Eröffnungsspiels am Sonntagabend, das in Anwesenheit mehrerer Staatspräsidenten stattfinden sollte. Denn die sind schließlich wichtiger als die Spieler.