: Zypern zockt in der Zwickmühle
KRISE Euroretter knicken ein: doch keine Zwangsabgabe für Kleinsparer. Aber dafür fehlt Mehrheit im Parlament von Nikosia
PANIKOS DEMETRIADES, ZENTRALBANK
VON NICOLA LIEBERT, ERIC BONSE UND KLAUS HILLENBRAND
BRÜSSEL/BERLIN/NIKOSIA taz | Wende oder Ende im Streit über die Bankenrettung auf Zypern? Am Dienstag schien alles möglich. Obwohl die umstrittene Zwangsabgabe für Kleinanleger gelockert werden soll, zeichnete sich immer noch keine Mehrheit im Parlament in Nikosia ab. Wenn die Abgeordneten Nein sagen, ist das Rettungspaket jedoch gescheitert – dann droht dem Mittelmeerstaat ab Juni, wenn eine große Anleihe fällig wird, die Pleite. Großbritannien brachte für seine dort stationierten Soldaten bereits Bargeld – für den Notfall.
Immerhin: Der Tag begann mit einer guten Nachricht aus Brüssel. Die Finanzminister der Eurogruppe hatten sich am Vorabend in einer Telefonkonferenz zu einer Lockerung des Spardiktats durchgerungen. Kontoeinlagen unter 100.000 Euro sollen nun von der heftig umstrittenen Zwangsabgabe in Höhe von 6,75 Prozent ausgenommen werden. Am Dienstag konkretisierte die Regierung in Nikosia, sogar Einlagen unter 20.000 Euro schonen zu wollen. Allerdings müssten dann reiche Anleger umso stärker besteuert werden: Die Europäer wollen nämlich nur mit 10 Milliarden Euro helfen, wenn Zypern einen Eigenbeitrag in Höhe von 5,8 Milliarden Euro leistet. Genau dafür fehlte am Dienstagnachmittag jedes Konzept. „Wir werden auf weniger als 5,8 Milliarden Euro kommen“, sagte Zyperns Zentralbankchef Panikos Demetriades.
Bislang hatten die Euroretter immer gefordert, alle Anleger müssten zur Kasse gebeten werden. Dies war sogar eine deutsche Idee, so wollte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die SPD-Kritik am Anlegerparadies Zypern bändigen. Damit ist die Eurogruppe zum ersten Mal unter dem Druck massiver Proteste in Zypern und weltweit wankender Börsen von einem Spardiktat abgerückt.
Zypern steckte am Dienstag dennoch gleich mehrfach in der Zwickmühle: Finanzminister Michalis Sarris flog sogar nach Moskau, um dort Geld lockerzumachen. Die Notenbank warnte vor Kapitalflucht. Ihr Chef Demetriades erwartete, dass in den nächsten Tagen bis zu 10 Prozent aller Spareinlagen ins Ausland geschafft würden.
Auch das Parlament steht einer Lösung im Weg. Trotz der Schonung kleinerer Vermögen war gestern keine Mehrheit für den EU-Kredit im Abgeordnetenhaus in Nikosia in Sicht. Die Opposition blieb bei ihrer Ablehnung, die Regierungsparteien Disy und Diko kommen auf maximal 27 von insgesamt 56 Stimmen. Präsident Anastasiades sagte, er rechne mit einer Ablehnung. Banken und die Börse bleiben noch bis mindestens Mittwoch geschlossen.
Unterdessen machten in Zypern Gerüchte über eine Rettung aus Russland die Runde. Der Konzern Gazprom könne möglicherweise die notleidenden Banken kaufen, hieß es. Eine andere Hoffnung verband sich mit Gasfunden südlich von Zypern, die Milliarden einspielen sollen.
Wie ein Sprecher des EU-Rats inzwischen bestätigte, sind von der geplanten Zwangsabgabe auf Bankkonten nur klassische Bankeinlagen betroffen – nicht jedoch Aktien oder Investmentfonds. Der offizielle Grund: Die Banken in Zypern hätten sich nicht auf das Management von Portfolios konzentriert, deshalb liege der Großteil der Gelder auf Sparkonten oder als Festgeld bei den Banken. Dahinter steht jedoch ein juristisches Problem: Wertpapiere werden von der Bank nur verwahrt. Sie würden nicht verloren gehen, wenn ein Institut pleitegeht. Anders als der Besitzer eines Sparkontos profitiert der Wertpapierbesitzer umgekehrt aber auch nicht von der Rettung der Bank durch den Eurorettungsschirm. Um auch die Besitzer von Wertpapierdepots zur Kasse zu bitten, müsste Nikosia eine Vermögensabgabe beschließen.
Falls Zypern pleiteginge, wäre auch Deutschland betroffen: Deutsche Banken haben milliardenschwere Forderungen an den Mittelmeerstaat. Laut Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) waren Zyperns Staat, Unternehmen und Privathaushalte Ende September 2012 mit insgesamt 5,9 Milliarden Euro bei deutschen Finanzinstituten verschuldet – damit war Deutschland der zweitgrößte ausländische Gläubiger nach Griechenland.