„Westfalen mit Lendenschurz“

Ein alter Pastor, der an die falsche Adresse predigt: Wie Leserinnen und Leser auf die aktuelle Kampagne der taz nrw reagierten – erfreut einerseits, zornig anderseits

Es ging gleich gut los. Der erste Leserbrief, den wir vor zwei Wochen zum Start unserer Kampagne „halb gerettet“ erhielten, war voll wohltuender Demut: „Ja, ja schon gut! Ich hab‘s verstanden. Ich nehme ein Abo ab 1. Januar“, schrieb taz-Leser Ralf Buchthal aus Duisburg. So mögen wir das. Zumal Buchthal nach unserer fotolosen Spar-Ausgabe nicht nur abonnierte, sondern auch noch anbot, für uns zu fotografieren. Wahnsinn. Das ist Einsatz.

Aber dann: Vor einer Woche erschien die taz nrw als taz westfalen. Jegliche Berichterstattung aus dem Rheinland war strengstens untersagt. Wer so böse mit den ansonsten quietschfröhlichen Rheinländern umspringt, muss einstecken können. „Seid ihr jetzt völlig durchgeknallt?“, überschrieb taz-Leser Christoph Strutz aus Aachen seine Protest-Mail. Satire sei ja eine schöne Sache, aber „uns Rheinländer zu diskriminieren, geht nun wirklich ein Stück zu weit“. Ähm, diskriminieren? Ignorieren wäre wohl richtiger. Aber egal. Strutz ereiferte sich jedenfalls noch ein Weilchen. Die schönste Passage, ein historisch-fundierter Abriss über Kultur und Zivilisation, möchten wir Ihnen nicht vorenthalten und drucken ihn deshalb in voller Länge: „Leider können wir (die Rheinländer) nichts dafür, dass es in NRW zu wenig aus dem rechtsrheinischen Teil unseres Bundeslandes zu berichten gibt. Ein Grund könnte vielleicht darin liegen, dass wir (die Rheinländer) schon lange vor euch Westfalen Kultur und Zivilisation erfahren haben. Schließlich hat der Römer in Köln, Bonn oder Xanten halt gemacht. Während ihr noch in Lendenschurz in euren Lehmhütten um die Feuerstellen geturnt seid, sind wir in den Genuss römischer Bäder gekommen. Aber euer Versuch, diese Jahrhunderte der zivilisatorischen Stagnation mit einer einseitigen Berichterstattung gut zu machen, geht nun wirklich etwas zu weit.“

Dann wurden uns noch reichlich pastorale Weihen zuteil: „Ihr kommt mir vor wie ein alter Pastor“, schrieb Jochen Jülicher aus Bonn, „ein Pastor, der sich bei den Leuten, die (noch) kommen, darüber beschwert, dass andere nicht kommen. Mit Verlaub: das ist die falsche Adresse!“ Jülicher nervt es, „immer wieder diese SOS-Signale zu kriegen, mit der soundsovielten Rettungsaktion konfrontiert zu werden, mal drohend, mal freundlich.“ Aber, liebe Brüder und Schwestern, wie heißt es noch gleich: Unsere täglichen Abos gib uns heute, und vergib uns unsere ständigen Kampagnen – denn es geht einfach nicht anders. Amen.

Roland Schüler aus Köln kann indes nicht verstehen, warum es keinen Köln-Teil mehr gibt in der taz: „Ich und einige andere Kölner und Kölnerinnen finden das nicht sinnvoll“, so Schüler. Die taz nrw könne nicht mit einer ihr innenliegenden Stärke werben, da ihr diese fehle und es deshalb die Kampagne „halbe Sachen“ gebe: nämlich weil die entscheidende Hälfte – die taz köln und die taz ruhr – weiterhin fehle. Nun ja, dafür ist NRW jetzt zusammen gewachsen: kein Köln-Teil mehr, kein Ruhr-Teil mehr, nur noch NRW. Die Mauer ist weg. TAZ NRW

Die aus LeserInnenbriefen entnommenen und abgedruckten Passagen entsprechen nicht zwingend der Meinung der Redaktion. Nur manchmal. Naja, ganz selten. Weitere Zuschriften zur Kampagne „halb gerettet“ bitte an: taz nrw, Kortumstraße 16, 44787 Bochum. Oder per E-Mail: halb@taz-nrw.de