: Die Leidenschaften des Kunsthändlers
FÄLSCHUNGEN In „The Best Offer“ inszeniert Guiseppe Tornatore die Geschichte eines Kunstsammlers und einer geheimnisvollen Fremden. Der Psychothriller ist kultiviert inszeniert, aber auch etwas behäbig
VON WILFRIED HIPPEN
Er hat sein Leben absolut unter Kontrolle. In den Anfangsszenen von „The Best Offer“ lernen wir Virgil Oldman als einen Mann kennen, der sein Metier und seine Leidenschaften perfekt beherrscht. Der Kunsthändler und Auktionator gilt als der Beste in seinem Beruf, sein Auge erkennt jede Fälschung und jedes Meisterwerk. Und mit raffinierten Tricks bringt er jene Gemälde, die ihm besonders gefallen, in seinen Besitz. So hat er mit der Hilfe von vertrauten Komplizen eine riesige Sammlung von Frauenporträts zusammengestellt, die in einem geheimen Hinterzimmer seiner luxuriösen Wohnung die Wände füllen. In der eindrucksvollsten Sequenz des Films zelebriert Tornatore diese Schätze, indem er die Kamera in einem langen sanften Schwenk über die Bilder gleiten lässt und dann den distinguierten alten Mann zeigt, der sich mit seinem Blick an ihnen ergötzt. Vor der Körperlichkeit realer Menschen schreckt er dagegen zurück. Ständig trägt er Handschuhe, denn er kann direkten Hautkontakt mit Menschen und Dingen nicht ausstehen. Mit seiner Kunst, seinem Können und seinem Reichtum hat er sich einen scheinbar nicht zu durchbrechenden Kokon geschaffen.
Im ersten Akt stellt Tornatore dieses sehr kultivierte Leben schwelgerisch aus. Er zeigt, wie geschickt Virgil Oldman das Kunstgeschäft manipulieren kann, wie er mit Hilfe eines alten Freundes auf seinen Auktionen betrügt und manisch jedes Detail seines Lebens kontrolliert. Geoffrey Rush spielt ihn als einen verschrobenen, sehr intelligenten und nicht gerade sympathischen Menschen, dessen Fassade so makellos erscheint, dass man mit einer nicht unerheblichen Vorfreude auf die ersten Risse darin wartet.
Virgils Leidenschaften sind die Kunst und die Frauen, und durch sie wird er immer tiefer in eine geheimnisvolle Geschichte hineingezogen. Als Schatzsucher kann er einem Geheimnis nicht widerstehen, und als er in eine Villa gerufen wird, um dort ein Wertgutachten für einen riesigen Nachlasses zu erstellen, findet er sowohl Spuren eines legendären verschwundenen Werkes wie auch eine sich ständig vor ihm verbergende junge Frau. Beides fasziniert ihn. Die auf dem Boden liegenden Zahnräder und Mechaniken könnten zu einem der künstlichen Menschen gehören, die Wolfgang von Kempel im späten 18. Jahrhundert konstruierte und seine Auftraggeberin scheint an Agoraphobie zu leiden, also Angst vor nicht vertrauten Räumen zu haben. Sowohl das Kunstobjekt wie die Frau locken ihn und entziehen sich ihm gleichzeitig. Ein mit ihm befreundeter Mechaniker macht ihm Hoffnungen, die legendäre Maschine rekonstruieren zu können, wenn er die restlichen Teile findet und die Fremde zeigt sich ihm zwar nicht, lässt ihm aber durch eine verschlossene Tür immer vertraulicher werdende Botschaften zukommen.
Die Geschichte wird immer verwinkelter und Virgil verliert immer mehr die Kontrolle. Guiseppe Tornatore, der auch das Buch geschrieben hat, verlässt sich leider zu sehr darauf, dass dessen Mechanik immer greift. Wenn die Steigerungsdramaturgie als solche erst einmal erkannt ist, wird sie schnell vorhersehbar und so nimmt die Spannung etwa zur Hälfte des Films deutlich ab. Der Regisseur selber bastelt da zu selbstverliebt mit seinen erzähltechnischen Schrauben und Zahnrädern und die Schlusspointe wird so offensichtlich vorbereitet („Virgil, man kann alles fälschen!“), dass sie längst nicht so überraschend kommt wie angestrebt. Die Psychothriller von Patricia Highsmith mit ihren amoralischen, immer sehr kultivierten Antihelden sind da offensichtlich das Modell, doch deren existentielle Tiefe kann Tornatore nicht ausloten.
Der italienische Starregisseur konnte den riesigen internationalen Erfolg von „Cinema Paradiso“ nie wiederholen, und doch stemmt er heute noch solche aufwendigen Produktionen wie „The Best Offer“. Dieser wurde in Englisch mit internationalen Stars wie Donald Sutherland und Jim Sturgess gedreht. Auch Ennio Morricone hält Tornatore immer noch die Treue und lieferte eine für seine Verhältnisse überraschend klassizistische Filmmusik. „The Best Offer“ ist von Fabio Zamarion schwelgerisch fotografiert, er sieht gut aus, klingt gut, ist stimmig inszeniert und enttäuscht letztlich dann doch. Tornatore stellt zu viel aus und erzählt zu wenig.