: Schweinerei lässt Kunden ziemlich kalt
Nach den Berichten über verdorbenes Fleisch sinkt der Absatz von Fleischprodukten insgesamt. Verlierer sind laut einem Marktforschungsinstitut auch in Berlin die Discounter. Nur die kleinen Metzgereien profitieren. Es bleibt aber unklar, warum
von JEAN FRANÇOIS TANDA
Die Warteschlange im Fleischerfachgeschäft nahe dem Platz der Luftbrücke ist lang. Zehn Männer, Frauen und Jugendliche warten auf ihr warmes Mittagessen: Ein Fleischgericht soll es sein. Im selben Laden an der Theke gegenüber bestellt eine Kundin Koteletts. Der Metzger ist glücklich, sein Geschäft laufe gut. „Seit den Medienberichten über Gammelfleisch haben wir von Tag zu Tag mehr Kunden“, sagt er.
Was der Metzger um die Ecke feststellt, wird vom Deutschen Fleischerverband bestätigt. „Im Gespräch sagen uns unsere Mitglieder, sie würden höhere Umsätze erzielen“, sagt Sprecher Gero Jentzsch. Der Verband vertritt rund 18.000 kleinere und mittlere Betriebe in ganz Deutschland. Genaue Umsatzzahlen hat Jentzsch allerdings nicht. Unklar ist auch, ob der höhere Umsatz damit zu tun hat, dass die Menschen vermehrt im Fachgeschäft einkaufen statt im Supermarkt, oder ob der steigende Konsum vor Weihnachten den Unterschied ausmacht.
Gestern morgen im Kaiser’s in Kreuzberg kurz vor elf Uhr. Es gibt massenweise Sonderangebote – für Schweinegulasch, Rollbraten, Krustenbraten und Suppenfleisch. Doch niemand steht an der Theke an. Die Fleischverkäuferin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will und heute den Kittel eines Kollegen anhat mit den Initialen R.R., sagt: „Die Kunden sind skeptisch, sie fragen – aber sie kaufen.“ Von einem Umsatzrückgang habe sie nichts bemerkt. An der Wand hinter der Theke prangt in großen schwarzen Lettern: „Jetzt neu: QS-geprüftes Schweinefleisch.“ QS, Qualität und Sicherheit, das Label der Agrarwirtschaft, ist umstritten. Verbraucherverbände kritisieren, dass es kaum mehr verlangt, als dass die rechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.
Gegen Mittag im Superspar am Platz der Luftbrücke arbeitet um diese Uhrzeit niemand mehr, der Auskunft über die Fleischverkäufe geben kann. Oder der die Frage beantworten könnte, warum die Kasseler Hühnerschenkel neben der Kühltruhe gelagert werden, in demselben Regal wie das Corned Beef aus der Dose. Die Hühnerbeine sollen bei 7 Grad aufbewahrt werden, steht auf der Packung.
Laut der ZMP, der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle für Erzeugnisse der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft, seien es vor allem die Discounter und die großflächigen Läden, die weniger Fleisch verkaufen, seit wieder verstärkt über verdorbenes Fleisch diskutiert wird. Die Verkaufseinbrüche seien allerdings minimal, sagt Paul Michels von der ZMP. Zwischen 28. November und 4. Dezember sei nur 5 Prozent weniger Fleisch gekauft worden als in den ersten drei Novemberwochen. Dies habe die Gesellschaft für Konsumfragen ermittelt. Unter 5 Prozent hätten ihr Fleisch im Bioladen gekauft.
Als größten Bio-Markt Europas bezeichnet sich LPG am Mehringdamm. Lecker, preiswert, gesund bedeutet hier auch, Frischfleisch an der Theke zu kaufen. Das hat seinen Preis: Statt 4,44 Euro wie bei Kaiser’s kosten hier die Kasseler Koteletts 12,50 Euro das Kilo. Wie sich der Konsum entwickelt hat, ist kaum zu ermitteln: Vor einem Jahr habe man noch keine Fleischtheke gehabt, so ein Verkäufer.
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