: Keine Samba, bitte
Zur Fußball-WM präsentiert das Haus der Kulturen der Welt brasilianische Kultur. Der zuständige Minister, Gilberto Gil, stellte das Programm vor und sang dazu
Brasilien, Fußball und ein bisschen Kultur: Zack, die Klischee-Falle schnappt zu. Alle freuen sich auf Samba-Disco zwischen WM-Spielen und papageienbunte Trommler. So einfach könnte es sein – aber dann hätte man das brasilianische Kulturprogramm zur WM wohl nicht hier vorgestellt. Ins Haus der Kulturen der Welt (HKW) kam gestern politische Prominenz aus Brasilien und machte deutlich, dass das mit der dortigen Kultur ein bisschen komplizierter ist.
Das nächste Jahr soll in Deutschland zum Jahr der brasilianischen Kunst und Kultur werden, während in Brasilien genau das Umgekehrte geplant ist. „Copa da Cultura“ heißt die Kultur-Reihe in Deutschland. Sie bietet Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Tanz, Theater und Film. Ihr Zentrum hat sie im HKW, Anlass ist die Fußball-WM.
So waren die Männer auf der Bühne des HKW – es waren nur Männer – um Querverweise zwischen Fußball und Kultur bemüht. Neben dem brasilianischen Botschafter waren das der Leiter des HKW, Johannes Odenthal, und der neue Kulturstaatsminister der Bundesrepublik, Bernd Neumann. Doch sie alle standen im Schatten eines echten Superstars: Gilberto Gil, weltweit bekannter Sänger und mittlerweile Kulturminister Brasiliens. Seinem Ruf als Künstler wurde er jedoch nicht gerecht. Mit Rastazopf und Krawatte sagte auch er meist das Gleiche wie die anderen: Überraschungslose Formeln über die Verbundenheit der beiden Länder, über die brasilianische Verbundenheit zwischen Kultur und Fußball und so weiter.
Natürlich wünschte man sich ein Endspiel zwischen Brasilien und Deutschland. Zwischendurch lenkte ein anderer Star die Fotografen ab, nämlich Herthas Promi Marcelinho, der verspätet zum Zuschauen kam. Naumann und Gil tauschten artig Geschenke aus, Weltmeister-Trikots von Brasilien und Deutschland aus den 50er-Jahren. So weit, so erwartbar.
Dass man trotzdem Überraschungen erwarten kann bei Copa da Cultura, machte Gil zweimal deutlich: Das eine Mal, als er sang. Einfach so, ohne dass man ihn dazu aufforderte, während eines Statements. Das andere Mal, als man ihn nach den brasilianischen Klischees fragte: Samba, Strand, Karneval. „Die Klischees sind aus unserer Realität entstanden. Ich verteidige sie nicht, aber ich schäme mich auch nicht für sie“, sagte Gil. Er stand zu den Klischees und forderte nur, dass man auch über sie hinausgeht.
Dass das während Copa da Cultura passiert, versicherte Odenthal. „Klischees gibt es hier nur transformiert“, sagte er und spricht dann zum Beispiel mit glänzenden Augen von „extrem guten DJs, die einen vollkommen neuen Sound prägen“. Man höre darin auch noch Dinge wie Samba heraus. Aber eben auf eine ganz unbekannte Art.
Auch andere Kulturorte setzen 2006 brasilianische Schwerpunkte, wie das Theater am Halleschen Ufer oder der Designmai. Die Popkomm stellt neue brasilianische Musik vor, und der Neue Berliner Kunstverein zeigt ab 14. Januar moderne brasilianische Fotografie. Wer aber einen Kulturminister richtig gut singen hören möchte, sollte am 25. Mai ins HDW gehen, zum Konzert von Gil.
Und was ist mit Fußball? „Dass der zur Kultur gehört, sagt Ihnen in Brasilien jeder“, sagt Odenthal. Während der WM gibt das HDW daher alles: Konzerte und Kino gratis und eine Leinwand, auf der die Spiele übertragen werden. Aber so, dass man weder das eine noch das andere verpasst. GIUSEPPE PITRONACI