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Archiv-Artikel

Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

In die Reihen der legendären deutschsprachigen Regisseure der 1920er Jahre wie Lang, Murnau und Papst hat es der 1880 als Julius Otto Mandl in Wien geborene Joe May nie geschafft. Doch er war ein wichtiger Regisseur jener Zeit: ein Mann mit Gespür für Trends und Geschäfte, ein Liebhaber des Trivialen und Abenteuerlichen, ein Stehaufmännchen, das sich nach Rückschlägen immer wieder neu orientierte. Er versuchte sich zunächst an Detektivserials und fand seine wahre Berufung in den Monumentalfilmen, die er auf seinem Studiogelände in Woltersdorf am Berliner Stadtrand drehte. Die erste Filmversion von „Das indische Grabmal“ mit Conrad Veidt als Maharadscha ist bis heute Mays populärster Film. Nachdem seine eigene Firma in Finanznöte geraten war, inszenierte May ab Mitte der 1920er Jahre auch Filme für andere Gesellschaften, darunter das Melodram „Asphalt“ (1928) für die UFA, das vom Zeughauskino jetzt in der Reihe „Zeitbild Berlin“ gezeigt wird. Der Film erzählt die Geschichte eines naiven kleinbürgerlichen Schutzpolizisten (Gustav Fröhlich), der sich in eine gerissene Juwelendiebin verliebt: Eben noch absoluter Herrscher über den Verkehr der Großstadt, ist es mit der Beherrschung seiner Affekte bald nicht mehr weit her. Die Atelierbauten des Filmarchitekten Erich Kettelhut, der ganze Straßenzüge eines fiktiven Berlins mit Anklängen an die Friedrichstraße, den Potsdamer Platz und die Leipziger Straße errichten ließ, sind beeindruckend, und die Interpretation der Diebin Else Kramer durch Betty Amann gibt Einblicke in ein modernes Zeitbild: Else ist eine dieser „neuen“ Großstadtpflanzen mit modischem amerikanischem Kurzhaarschnitt, die ein flottes Lotterleben im riesigen Luxusapartement führt, wo sich der brave Wachtmeister fast verläuft. (22. 3. Zeughauskino)

Wie May, der als Jude 1933 vor den Nazis nach Amerika floh, gehörte auch Detlef Sierck zur Schar jener Theater- und Filmschaffenden, die aufgrund der politischen Verhältnisse in Deutschland ihr Heil in Hollywood suchten. Dort machte Sierck als Douglas Sirk eine zweite Karriere und schuf in den 1950er Jahren für Universal eine ganze Reihe von damals oft als „Weepies“ verlachten Melodramen, deren böse, scharfsinnige Analysen der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft erst viel später erkannt wurden. „All That Heaven Allows“ (1955) führt direkt in die Piefigkeit einer provinziellen amerikanischen Kleinstadt, in der sich eine Witwe (Jane Wyman) in ihren um einige Jahre jüngeren Gärtner (Rock Hudson) verliebt – und mit dieser Liebe in einem tödlichen Cocktail aus Vorurteilen, Gedankenlosigkeit und fieser Selbstsucht ihrer Kinder fast umkommt. (Om span. U, 26. 3. Arsenal 1)