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Archiv-Artikel

Schwere Zeiten für Flüchtlinge

Libyen gewährleistet die Mindeststandards für Flüchtlinge nicht, dennoch arbeiten Italien und Malta bei der Abschiebung von Schwarzafrikanern mit Tripolis zusammen

MADRID taz ■ „Libyen fehlt es an Organisation und Strategie, um mit dem Immigrationsproblem umzugehen“, erklärte gestern Simon Busuttil. Der konservative Europa-Abgeordnete aus Malta stand einer Delegation vor, die Anfang der Woche Libyen besuchte, um sich über die Lage der Migranten zu informieren. Die Delegation zeigt sich besorgt, da „Libyen weder die Existenz von Flüchtlingen noch die von Asylbewerbern anerkennt“.

Italien und auch Malta schieben immer wieder Menschen nach Libyen ab. Tripolis interniert sie und schafft sie danach nach Schwarzafrika. Viele der Betroffenen kommen aus Ländern mit autoritären Regimes. Die sechs EU-Parlamentarier besuchte ein Lager nahe Tripolis. Dabei konnten sie mit 8 der 360 Insassen reden. Zwei von ihnen waren aus Äthiopien, die politisch verfolgt waren.

Amnesty international fordert die EU auf, die Abschiebungen nach Libyen zu stoppen. Tripolis hat zwar die Internationale Konvention zum Schutz von Wanderarbeitern und deren Familien unterzeichnet, nicht aber die Genfer Flüchtlingskonvention. Ein Verfahren zur Anerkennung politisch Verfolgter gibt es deshalb nicht.

Der libysche Vize-Außenminister Mohammed Tahar Sila ließ gegenüber den Besuchern keinen Zweifel, in wessen Auftrag sein Land handelt. „Wir sind sehr glücklich, dass Italien mit uns zusammenarbeitet, indem es einige dieser Rückflüge bezahlt“, erklärte er. Auch das Camp bei Tripolis wurde von Italien finanziert.

Was der Vize-Außenminister verschwieg: Bei weitem nicht alle Flüchtlinge werden im Flugzeug in ihre Heimat gebracht. Ein Reporter der italienischen Zeitschrift L’Expresso deckte auf, dass tausende tagelang ohne genügend Wasser und Nahrung auf offenen Lkw durch die Sahara transportiert werden, um sie in den Niger abzuschieben.

Libyen ist kein Einzelfall. Nach dem Massenansturm auf die Zäune der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla im Sommer, gehen auch Algerien und Marokko härter gegen Flüchtlinge vor. Anfang der Woche wurde im nordalgerischen Maghnia ein improvisiertes Flüchtlingslager aufgelöst. 600 Schwarzafrikaner wurden nach Berichten der algerischen Tageszeitung El Watan in den Süden geflogen. Von dort aus sollen sie in ihre Heimatländer gebracht werden. Das Lager in Maghnia, nur 30 Kilometer von der marokkanischen Grenzstadt Oujda entfernt, wurde niedergebrannt. Die Route Maghnia–Oujda ist die wichtigste auf dem Weg nach Ceuta und Melilla. Alleine 2004 hat Algerien 6.000 Schwarzafrikaner abgeschoben.

In Marokko wurden seit Jahresbeginn 28.500 Immigranten abgeschoben, tausende in den letzten zwei Monaten nach dem Ansturm auf Ceuta und Melilla. Marokko geriet dabei in die Schlagzeilen, weil ganze Gruppen von Immigranten in der Wüste ausgesetzt wurden. Unterdessen meldete die spanische Zeitung El Mundo, dass Spanien 500 Soldaten aus Ceuta und Melilla abziehen will, die in den letzten Monaten die Grenzsicherung nach Marokko verstärkt haben. REINER WANDLER