Zarte Pflänzchen des Dialogs

RELIGION Im Club Spittelkolonnaden in Mitte diskutieren Anwohner über das geplante Bet- und Lehrhaus für Christen, Muslime und Juden

„Das spielt heute keine Rolle!“ Die Moderatorin, eine hagere ältere Dame in olivgrünem Cordanzug, schneidet dem Gast mit dem wirren Haar das Wort ab. Der kommt ihr dauernd in die Quere mit seinen Fragen. Jetzt wollte er wissen, warum der an die Wand geworfene Grundriss die Schwimmhalle auf der Fischerinsel nicht zeige. Ob die abgerissen werde, oder was.

In der Tat geht es auf der Infoveranstaltung im Club Spittelkolonnaden in der Leipziger Straße um etwas anderes. Eingeladen sind Vertreter des interreligiösen Vereins, der ein paar Ecken weiter auf dem Petriplatz ein „Bet- und Lehrhaus“ für Christen, Juden und Muslime errichten will. Rund 40 Personen sind erschienen, Befürworter – mutmaßlich Mitglieder der Gemeinde St. Petri/St. Marien – und Skeptiker, die das ambitionierte Vorhaben mit Fragen bombardieren: Was ist mit Parkplätzen? Was mit der Sicherheit, es geht doch um eine Synagoge?

All das können auch die Vereinsmitglieder und Architekt Wilfried Kühn nicht abschließend beantworten. Im bisherigen Bebauungsplan tauchte das Dreireligionenhaus gar nicht auf – auf Wunsch des Senats, wie Roland Stolte von der evangelischen Gemeinde gleich zu Beginn klarstellt. Die Stadtentwicklungsverwaltung habe das Verfahren wegen des „Archäologischen Besucherzentrums“ auf dem Petriplatz beschleunigen wollen und gebeten, den Bebauungsplan zu einem späteren Zeitpunkt neu zu bearbeiten. „Wo bleibt da die Transparenz?“, poltert einer im Publikum.

Hermetisches Bauwerk

Transparenz ist auch nicht unbedingt der Begriff, der den Entwurf des Architektenbüros Kühn Malvezzi beschreibt. Auf den Grundmauern der Petrikirche, deren Kriegsruine Anfang der 60er Jahre abgerissen wurde, soll ein ziemlich hermetisches Bauwerk mit sandfarbener Ziegelfassade entstehen: ein zentraler Turm und drei Anhängsel für die Räume der Religionsgemeinschaften, ohne Fenster im klassischen Sinne, aber mit allerlei Perforationen. Auf den Entwürfen wirkt das Gebäude wie eine Mischung aus toskanischem Geschlechterturm und World Trade Center – nicht das Schlechteste angesichts der Rekonstruktionswut à la Stadtschloss.

Sollte das spendenfinanzierte Bet- und Lehrhaus tatsächlich einmal stehen, bleibt die Frage nach der theologischen Stabilität. Zwar preist Kadir Sanci, Vertreter der muslimischen Seite im Bethaus-Verein, die Vorzüge eines für jeden zugänglichen Moscheeraums. Und er beteuert, man spreche im Prinzip 87 Prozent der Muslime an. Damit meint er aber offenbar nur den weltweiten Anteil der Schulen des Islams, die gebetsmäßig irgendwie kompatibel sind. Dass die Gruppierung, die er vertritt, zur umstrittenen konservativen Gülen-Bewegung gehört, sagt er nicht. Dafür erwähnt Roland Stolte noch, dass Moschee- und Synagogenraum es rein baulich zulassen, geschlechtergetrennte Zeremonien abzuhalten.

Von einem „Projekt mit offenem Ausgang“, einem „zarten Pflänzchen des Dialogs“ spricht Stolte. Welche Vorstellung die jüdischen Vertreter von diesem Dialog haben, bleibt offen, denn von ihnen ist niemand erschienen – witterungsbedingt, wie es heißt. „Und wenn es mit dem Dialog nicht klappt?“, ruft einer aus der Antifraktion, „was wird dann aus dem Gebäude?“ Lachen im Publikum. „Richtig!“, ruft jemand. Offenbar gibt es auch bei den Anwohnern noch genug Dialogbedarf. CLAUDIUS PRÖSSER