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Archiv-Artikel

Relevanz statt Rendite

DISKUSSION UM SPREEUFER

„Stadtrelevanz“ ist das neue stadtentwicklungspolitische Zauberwort

Montagabend in Friedrichshain: Das zweite Forum Stadtspree ist noch lange nicht zu Ende, da steht Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) auf und geht. Das Wichtigste dürfte Müller jedoch gehört haben. „Stadtrelevanz“ ist das neue stadtentwicklungspolitische Zauberwort. Müllers Vorvorvorgänger als Senator, Volker Hassemer von der CDU, hat es in seiner Begrüßung verwendet, um zu erklären, warum sich hier Politiker, Immobilienunternehmer und Kreativwirtschaftler dreimal treffen und erörtern, wie es weitergehen soll am Ufer der Spree zwischen Jannowitzbrücke und Osthafen.

„Stadtrelevanz“ ist zunächst ein diskursiver Fortschritt. Denn das letzte große Schlagwort in der Debatte über Berlins Grund und Boden und die die öffentliche Einflussnahme auf selbigen lautete „Stadtrendite“ – ins Spiel gebracht von der Wohnungsbaugesellschaft Degewo. Man hatte damit die vage Hoffnung verbunden, in der Stadt würde es bald nicht mehr darum gehen, aus öffentlichem Raum möglichst hohe Erträge zu erwirtschaften. Doch spätestens als der Begriff „Stadtrendite“ den Weg ins Konzept des Senats für eine „neue“ Liegenschaftspolitik gefunden hatte, war klar: Selbst wenn Berlin künftig landeseigene Grundstücke nicht meistbietend versteigern, sondern aus konzeptuellen Gründen direkt vergeben sollte, müsste dafür ganz nüchtern eine Rendite beziffert werden. Auch Immaterielles, der Daseinsvorsorge und dem Gemeinwohl dienende Nutzungen, brauche eine konkrete materielle Rechtfertigung. So richtig „neu“ ist das nicht.

Nun sind zwischen Jannowitzbrücke und Osthafen mitnichten lauter immaterielle, sympathische Hippie-Projekte zu finden, denen das Wort „Stadtrelevanz“ unwiderrufliche Daseinsberechtigung verleihen könnte. Das Radialsystem, das Wohnungsbauprojekt Spreefeld, der Kater Holzig, bald der Holzmarkt – alles ökonomisch durchkalkulierte Angelegenheiten, deren Macher die Einnahmenseite ganz genau im Blick haben. Doch all diese einstigen Zwischennutzer und Freiraumpioniere arbeiten eben auch für etwas Atmosphärisches, für ein gewisses Flair, das diverse Ecken der Stadt lebenswert – und eben: relevant – gemacht hat, als sich das noch nicht unbedingt „rechnen“ musste.

Jenes Flair, das steht nun auch in jeder Broschüre von am Spreeufer tätigen Immobilieninvestoren. Damit lässt sich Rendite machen. Nicht aber die Relevanz all jener Orte bewahren. Deshalb ist es sicher nicht verkehrt, dass da jetzt ein neues Schlagwort im Umlauf ist. SEBASTIAN PUSCHNER