: Der Geist der Zeit
„Today‘s Music“: Eine Reihe des „ensemble Intégrales“ schließt Lücken im Hamburger Konzertgeschehen
„Eine Zumutung?“ Nein, von einer Zumutung wolle er bei Neuer Musik nicht reden, lieber solle man doch „Herausforderung“ sagen. Wer als Komponist und Ensemblesprecher mit Journalisten redet, der hat gelernt, seine Worte zu wägen. Denn Burkhard Friedrich hat für seine „Herausforderungen“ schon einiges an Presseschelte einstecken müssen. Imitation of Life etwa, seine Kammeroper, die im Mai 2005 in der Opera stabile aufgeführt wurde, bezeichnet auch ihr Urheber rückblickend als „harte Nummer“.
Ihn interessierten nun mal Leute, die „eine erwartungslose Neugierde“ mitbringen, die sich ins Konzert setzen, um „zu schauen, was das jetzt hier mit mir macht“. Und obwohl sie im Hamburger Konzertleben schon seit 12 Jahren ziemlich stiefmütterlich behandelt werden, unternehmen Friedrich und das ensemble Intégrales nun einen weiteren Anlauf, die eigene Musik nicht nur in Berlin, Zürich, Wien oder Ulan Bator aufzuführen – sondern auch in der Stadt, in der sie leben.
Unter dem Titel „The Link to Today‘s Music“ eröffnet das Ensemble an diesem Mittwoch eine vierteilige Konzertreihe in der Opera stabile, in der es all das zu hören geben wird, was im hanseatischen Musikleben bisher kein Forum hatte: Musik, die sich mit Performance und Videoarbeiten verbindet, elektronische Klänge und Werke von jungen, nicht arrivierten Komponisten. „European Youth Generation“ ist das erste Konzert der Reihe betitelt, und hörbar stolz vermerkt Friedrich, dass keine Komposition jenes Abends älter als vier Jahre sei.
Das klingt wie pures Kassengift, doch Friedrich und seine Mitstreiter zeigen sich überzeugt, dass gerade ein solch aktuelles Programm eine echte Chance auf Publikumsresonanz hat: „Es geht darum, ein Profil zu finden, das den Geist der Zeit aufgreift. Im Mojo-Club gab es mal eine Zeit lang eine Neue-Musik-Lounge, da hat ein DJ aufgelegt und man konnte Steve Reich oder Terry Riley hören. Das ist ein Gedanke, den wir aufgreifen: auch ein Publikum anzusprechen, das in Hip-Bars geht.“
Neben Leuchttürmen und Wahrzeichen wäre eine derartige Reihe mit Experimentellem aus aller Herren Länder und Verbindung zur Club-Kultur jedenfalls mal ein echtes missing link in der Evolution einer Musikmetropole. Walter F. Stettler
„European Youth Generation“: 14. 12.; „Zeit–Raum–Klang“: 1. 2. 2006; „Crossover Asia“: 6. 4. 2006; „Großstadt – Nachts“: 17. 5. 2006; jeweils 20 Uhr, Opera stabile, Büschstraße 11. Einführungsveranstaltungen jeweils am Vortag, 20 Uhr, Kulturforum Altona, Jessenstraße 10. Weitere Infos: www.ensemble-integrales.com