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Archiv-Artikel

Im luftleeren Raum

Hawaii-Sieger Faris Al-Sultan und seine deutschen Ironman-Kollegen bitten um strengere Dopingkontrollen

Der positive Doping-Fall der Triathletin Nina Kraft hat den Triathlon-Sport in Deutschland in seinen Grundfesten erschüttert. Nun, ein Jahr danach, fordern die deutschen Ironman-Athleten vom Präsidenten des Weltverbandes WTC ein härteres Vorgehen im Kampf gegen Doping. Im taz-Interview erklärt Faris Al-Sultan, der Sieger des diesjährigen Ironman Hawaii, die Hintergründe.

taz: Herr Al-Sultan, Sie und Ihre deutschen Kollegen haben Ben Fertic, dem Präsidenten des Ironman-Weltverbandes WTC, dieser Tage einen doch recht ungewöhnlichen Brief geschrieben. Um was geht es?

Wir, also ein Großteil der deutschen Langstrecken-Triathleten, ärgern uns darüber, dass es bei anderen Nationen mit der Dopingbekämpfung bei weitem nicht so gut funktioniert wie bei uns in Deutschland. So gibt es zum Beispiel immer noch Ironman-Wettbewerbe, bei denen gar keine Dopingkontrollen stattfinden, Trainingskontrollen sind bei anderen Nationen schon gar nicht üblich. Deshalb haben wir Herrn Fertic darum gebeten, dafür zu sorgen, dass es weltweit möglichst bald ein ähnlich gutes Dopingkontrollsystem gibt, wie wir es in Deutschland mit dem im letzten Jahr eingeführten Elitepass haben.

Es gibt Ironman-Wettkämpfe, bei denen nicht auf Doping getestet wird?

Ja. Bei den meisten nordamerikanischen Rennen wird nicht kontrolliert. Aber auch in England und Österreich ist das nicht der Fall. Genau das darf einfach nicht sein, schließlich sind das keine Wald-und-Wiesen-Wettkämpfe, sondern die Aushängeschilder unseres Sports. Da muss dringend etwas geändert werden.

Weil ohne Trainings- und sogar ohne Wettkampfkontrollen dem Betrug Tür und Tor offen stehen.

Im Prinzip schon. Viele Athleten schweben im luftleeren Raum und können mehr oder weniger machen, was sie wollen. Deshalb haben wir in Deutschland ja nach dem positiven Dopingfall von Nina Kraft im Oktober vor einem Jahr den Elitepass eingeführt. Mit dem unterwerfen sich die deutschen Ironman-Athleten freiwillig den Kontrollbestimmungen der Nationalen Anti-Doping-Agentur Nada und damit jenen der Wada, der Welt-Anti-Doping-Agentur.

Was heißt das konkret?

Der Elitepass gibt einem Athleten eine Art Kaderstatus. Das heißt, dass wir genauso kontrolliert werden wie die Athleten der Olympischen Sportarten, gerade im Training. Der Kontrolleur kann jederzeit vor unserer Tür stehen und sagen: Hallo, hier bin ich – und ich möchte Sie kontrollieren.

Das heißt, bevor es den Pass gab, wurden auch deutsche Ironman-Athleten im Training nicht kontrolliert?

Nein, das wurden sie nicht. Wir alle wurden durch den Fall Nina Kraft aufgeschreckt. Aber wir haben auch ziemlich schnell reagiert. Als Athlet will man schließlich beweisen, dass man nicht gedopt ist.

Und nun fordern Sie einen solchen Pass auch vom Weltverband?

Ob die WTC unseren Elitepass übernimmt oder ein eigenes System aufbaut, ist uns Sportlern egal. Uns geht es einfach darum, dass künftig alle Ironman-Athleten mit Trainingskontrollen rechnen müssen. Wir wollen einfach nicht gegen Athleten antreten, die gedopt sind.

Wie viele Trainingskontrollen haben Sie in diesem Jahr hinter sich?

Vier.

Ist das ausreichend?

Ich denke ja. Man kann nicht jeden Athleten jeden Tag kontrollieren. Sondern es geht darum, dass der Athlet jeden Tag davor Angst haben muss, dass er kontrolliert werden könnte. Das reicht völlig aus.

Auch bei den deutschen Langstrecken-Wettbewerben in Roth und Frankfurt wurde bis letztes Jahr nicht auf Epo getestet. Haben die Athleten das gewusst?

Nein. Zum einen habe zumindest ich nie nachgefragt – zum anderen gehe ich automatisch davon aus, dass auf Epo, also das Dopingmittel im Ausdauersport, definitiv getestet wird. Wenn nicht auf Epo, worauf denn dann?

Wie sehr ist die Ironman-Szene von Doping durchseucht?

Kaum. Wobei alles relativ ist – und natürlich auch bei uns gedopt wird. Aber Doping hat im Triathlonsport zumindest keine Tradition – und ist deshalb kein großflächiges Problem. Auf der anderen Seite ist prinzipiell jeder Doopingfall ein Dopingfall zu viel.

Glauben Sie, dass Ihr Anliegen bei der WTC Gehör findet?

Über Dritte wurde mir mitgeteilt, dass die WTC an einer Lösung des Problems arbeitet. Es wäre ja auch eine ziemlich negative PR, wenn sich nach einer solchen Athleten-Aufforderung nichts tun würde.

INTERVIEW: FRANK KETTERER