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Archiv-Artikel

In Chile kommt es zur Stichwahl

Bei den Präsidentschaftswahlen gewinnt die Sozialdemokratin Michelle Bachelet in der ersten Runde. Sie hofft nun auf die Stimmen der Frauen und der Linken. Doch ihre Gegner gründen ein Wahlbündnis. Daher kann es im Januar knapp werden

VON GERHARD DILGER

Noch ist der Einzug Michelle Bachelets in den Moneda-Palast von Santiago keine ausgemachte Sache. Zwar kam die 54-jährige Kandidatin der Sozialistischen Partei in der ersten Runde der chilenischen Präsidentenwahl am Sonntag auf 46 Prozent der gültigen Stimmen und damit deutlich mehr, als nach den letzten Umfragen zu erwarten gewesen wäre. Der Unternehmer Sebastián Piñera von der rechten „Nationalen Erneuerung“, gegen den sie am 15. Januar in der Stichwahl antreten muss, erhielt nur 25,4 Prozent. Aber noch in der Wahlnacht verkündete Piñera seine Allianz mit dem Opus-Dei-Mann Joaquín Lavín (23,2 Prozent) für die Stichwahl.

Auch Bachelet läutete den Lagerwahlkampf ein. „Ich freue mich, dass die Chilenen nun zwischen zwei ganz klar umrissenen politischen Positionen entscheiden können“, rief sie kurz vor Mitternacht ihren Anhängern vom Balkon des San-Francisco-Hotels in Santiagos Innenstadt zu. „Ich habe immer auf der Seite derer gestanden, die weniger haben, derer, die für die Demokratie gekämpft haben.“ Dann folgte ein Seitenhieb auf ihren Kontrahenten: „Auch das ganze Geld des rechten Kandidaten wird den Willen der Mehrheit nicht verbiegen können.“ Piñeras Vermögen wird auf 1,2 Milliarden Dollar geschätzt.

Dass die gemäßigte Linke nach wie vor die besseren Karten hat, zeigt das Ergebnis der ebenfalls vorgestern abgehaltenen Parlamentswahlen: Im Senat verfügt die seit 1990 regierende „Concertación“ aus Christ- und Sozialdemokraten nun erstmals über die Mehrheit. Auch ihren Vorsprung vor der rechten „Allianz für Chile“ Piñeras und Lavíns konnte die „Concertación“ leicht ausbauen. Sie stellt künftig 20 SenatorInnen, die Opposition 17.

Noch klarer wurde die strukturelle Mehrheit des Mitte-links-Lagers bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus: Hier siegten die Regierungsparteien mit 51,8 Prozent der gültigen Stimmen und stellen 65 statt bisher 63 von 120 Abgeordneten. Die Rechte kam auf 38,7 Prozent , das Linksbündnis „Zusammen können wir mehr“ auf 7,4 Prozent. Die Konservativen halten aber immer noch 54 (zuvor 57) Sitze, die aus Kommunisten und Humanisten gebildete antineoliberale Linke bekam keinen einzigen. Möglich macht dies das binominale Wahlsystem, dessen Beseitigung Bachelet anstrebt. Mit den neuen Parlamentsmehrheiten seien dafür „alle Voraussetzungen“ gegeben, versicherte sie.

Eine Kuriosität des Wahlsystems, die nach Geschlechtern getrennte Abstimmung, lieferte Bachelet einen weiteren Grund zur Zuversicht: Bei den Wählerinnen landete Piñera nur auf Platz drei, Bachelet lag hingegen einen Prozentpunkt über ihrem Gesamtergebnis. Zünglein an der Waage dürften in fünf Wochen aber auch die 370.000 Männer und Frauen werden, die jetzt für den undogmatischen Linken Tomás Hirsch vom Wahlbündnis „Zusammen können wir mehr“ votierten.

Der machte aus der Enttäuschung über seine 5,4 Prozent keinen Hehl und kündigte an, er werde in der Stichwahl eine „Nullstimme“ abgeben. Weder Bachelets noch Piñeras Regierungsprogramme enthielten jene einschneidenden Reformen, die für ihn „unabdingbar“ seien, sagte der Kandidat der Humanistischen Partei. Die Kommunisten als wichtigste Kraft des Bündnisses signalisierten allerdings Gesprächsbereitschaft gegenüber der „Concertación“.

Schon bei der letzten Stichwahl hatten die Linken schließlich dem jetzigen Präsidenten Ricardo Lagos zum Sieg verholfen. Damals, im Januar 2001, siegte der Sozialdemokrat gegen den Ex-Pinochetisten Lavín – mit einem Vorsprung von nicht einmal 200.000 Stimmen.