: Kinemathek seiner selbst
ZEITDOKUMENT In Gerhard Lamprechts Filmen sind die Widersprüchlichkeiten der NS-Zeit aufbewahrt. Das Zeughauskino zeigt eine Werkschau des Regisseurs, aus dessen Privatsammlung die Deutsche Kinemathek entstand
VON SASCHA MENG
Dass Krieg ist, zeigt sich scheinbar nur an Kleinigkeiten. Wenn Professor Burkhardt (Willy Birgel) ein hartgekochtes Ei auf dem Tisch anschlägt, ruft ihm seine Schwester (Erika von Thellmann) vorwurfsvoll in Erinnerung: „Möbel schonen!“ Was einigermaßen abwegig ist, wenn man den friedlichen Wohlstand betrachtet, in dem der Professor unentwegt arbeitet.
Die Szene stammt aus einem Film von 1943, „Du gehörst zu mir“ von Gerhard Lamprecht, der nun in einer kleinen Werkschau im Zeughauskino zu sehen ist. „Das Schiffchen. Realismus und Fantasie“ ist die Reihe überschrieben, und der Titel zeigt schon, dass Lamprechts Werk schwerlich auf einen prägnanten Begriff zu bringen ist. So wie der Name des 1897 in Berlin geborenen und 1974 dort gestorbenen Lamprecht keiner ist, der einem einfiele, wenn man die deutsche Filmgeschichte durchgeht.
Dabei ist Lamprecht keine unwichtige Figur: Aus seiner privaten Sammlung ist 1963 die Deutsche Kinemathek hervorgegangen, als deren erster Leiter er dann amtierte. Das 50-jährige Bestehen dieser Institution bildet nun den Anlass für die Retrospektive, die gleichzeitig zeigt, was Lamprechts Nachfolger zu leisten im Stande sind.
Denn Lamprechts Filme sind keine Meisterwerke, die man schauen muss, um sich ein Bild davon zu machen, wie großartig Kunst sein kann. Am ehesten kennt man „Irgendwo in Berlin“, einen Trümmerfilm von 1946, den Lamprecht für die Defa realisierte. Lamprechts Filme sind Medien von Geschichte, in denen die jeweilige Zeit ihren Abdruck hinterlässt, auch weil sie nicht auf übertrieben großen künstlerischen und politischen Widerstand trifft.
„Mädchen im Vorzimmer“ etwa von 1940 könnte eine romantische Komödie im Verlagsmilieu sein, in der sich Beziehungen und Missverständnisse um die Sekretärin Beate Wilmerding arrangieren. Aber die Filmhandlung ist in dieser Zeit eine kriegswichtige Aufgabe, es geht um Eintracht im Betrieb und größtmögliche Versöhnung untereinander (nur der aasige Weinreich darf als unausgesprochen „jüdisch“ nicht dazugehören und wird entlassen). Deshalb versteht man am Ende nicht so recht, warum sich Frau Beate nun für den einen (den Arbeiter Paul) und nicht für den anderen (ihren Ehemaligen) entscheidet. Dass es auch andersherum möglich gewesen wäre, führt vor Augen, wo das Kino landet, wenn es den Volkskörper trainieren soll.
Die reizende Sekretärin, die ihrem Chef – und eigentlich: der ganzen großen Angestelltenfamilie – durch selbstinitiative Intervention bei einem vermögenden Privatmann den Betrieb rettet, wird gespielt von Magda Schneider. In der sieht man von heute aus doch immer nur die einigermaßen schreckliche Mutter von Romy. Was gut zur Figur passt, deren Attraktivität etwas Ledern-Zähes hat. Irgendwie beruhigend für die Zeitungsredakteure dieser Tage dürfte dagegen sein, dass schon damals in Blattkonferenzen der Chef zum Redakteur sagte: „In letzter Zeit finde ich ihre Themen zu schwer für eine populäre Zeitschrift.“ Der Redakteur aber immerhin antworten kann: „Ich hab ’ne Menge Leser, die strengen ihren Grips manchmal ganz gern an.“
Solche beinahe technischen Details finden sich in Lamprechts Filmen immer wieder. In „Meines Vaters Pferde“, seinem vorletzten Film, einer zweiteiligen Geschichtsbeschwörung zum Zwecke des Weitermachens, geht es nebenher auch darum, dass Pferde an die um 1900 noch neuen Dampfbahnen zu gewöhnen sind. Daraus Handlung abzuleiten, hat fast etwas Kulturwissenschaftliches.
In diesem Sinne kann man in der Werkschau gut sehen, warum aus Gerhard Lamprecht zwar kein großer Regisseur, dafür aber aus seiner Sammlung eine Kinemathek geworden ist: Es ist hier sehr viel aufbewahrt, gerade von den Widersprüchen der jeweiligen Zeit. Zur vertiefenden Beschäftigung mit Lamprecht sei die gerade erschienene dreibändige und sehr kostbar aufgemachte „Edition Gerhard Lamprecht“ von Eva Orbanz, Rolf Aurich und Wolfgang Jacobson empfohlen.
■ Werkschau zu Gerhard Lamprecht: 2.–14. April im Zeughauskino. Programm: www.dhm.de/Kino