LESERINNENBRIEFE
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Plätze teilen

■ betr.: „Pressetribüne bleibt türkenfreie Zone“, taz vom 27. 3. 13

Unsere Gesellschaft – vorneweg die Medien – ist ständig damit beschäftigt, über Missstände zu lamentieren und Entscheidungen von Funktionsträgern anzuprangern. Selten wird die Frage gestellt: „Was können wir, was kann ich selber an meinem Platz tun, um einen Missstand zu beseitigen?“ Wenn die Journalisten, die sich empört zeigen über die Entscheidung des Oberlandesgerichts München, sich die Frage nach den eigenen Möglichkeiten stellen würden, dann könnte die Antwort möglicherweise sein: „Wir werden mit einer türkischen Tageszeitung kooperieren und unseren Platz mit einem türkischen Journalisten teilen.“ GABI AUTH, Essen

Vorschriften sind falsch

■ betr.: „Pressetribüne bleibt türkenfreie Zone“, taz vom 27. 3. 13

Es ist wie so oft in Deutschland: Alle handeln genau nach Vorschrift, und das Ergebnis zeigt, dass die Vorschriften falsch sind. So geschehen jetzt bei den für die Justiz blamablen Vorgängen mit der Aussperrung türkischer Journalisten im NSU Prozess.

Ich finde, da sollte der Gerichtspräsident ein Machtwort sprechen und, sagen wir fünf türkischen Journalisten neue Ehrenplätze im Gerichtssaal, nicht auf der Pressetribüne, einrichten lassen, damit sie den Prozess um ihre Landsleute aus nächster Nähe verfolgen können. MICHAEL MARESCH, München

Die Opferzahl ist hoch genug

■ betr.: „Deutsche Skepsis ist berechtigt“, taz vom 23. 3. 13

Den Standpunkt von Daniel Bax kann ich nicht nachvollziehen. Wie soll die Oppositionspartei denn Verhandlungen mit einem Regime führen, das systematisch seine Bevölkerung bombardiert und ganze Stadtteile zerstört? Wie kann es sein, dass das syrische Volk seinem Machthaber hilflos ausgeliefert ist? Gezielt werden Bomben, Raketen und Mörsergranaten auf viel frequentierte Plätze geworfen, gerne auch auf Menschenansammlungen vor den Bäckereien. Da ist es doch verantwortungslos, den BürgerInnen Syriens nicht zu helfen. Zumindest könnte mit Flugabwehrraketen den täglichen Angriffen Assads etwas entgegengesetzt werden; die Zahl der Opfer ist schon hoch genug, für die jegliche humanitäre Hilfe zu spät kommt.

HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Keine Kleinigkeiten

■ betr.: „Dann bin ich weg vom Fenster“, taz vom 23. 3. 13

Da macht es sich der Durchdenker Kretschmann aber sehr einfach, wenn er so tut, als ob die Glaubwürdigkeit eines Politikers, der für bestimmte Dinge wirbt, nicht leidet, wenn er sich dann selbst in gleicher Sache total danebenbenimmt. Wenn ein Politiker versucht, die Leute davon zu überzeugen, dass es richtig ist, Tempo 100 einzuführen, und dann erwischt wird, wie er mit 180 km in der Stunde daherbrettert, wird er zu Recht als dreister Heuchler wahrgenommen, der meint, für ihn gelten ausnahmsweise andere Regeln beziehungsweise keine. Dasselbe gilt für einen, der sich darstellt als jemand, der der Finanzindustrie Paroli bieten wird, bei Abstimmungen im Bundestag aber fehlt, weil er unterwegs ist, um Vorträge zu halten, die in zwei Stunden mehr einbringen, als manche Leute im ganzen Jahr verdienen. Natürlich machen alle mal Fehler, aber solche Beispiele sind keine Kleinigkeiten. MANUELA KUNKEL, Stuttgart

Genügend Zeit lassen

■ betr.: „Dann bin ich weg vom Fenster“, taz vom 23. 3. 13

Kretschmann hat absolut recht, wenn er die Schnelllebigkeit und die Erwartungshaltung der politischen Öffentlichkeit beklagt. Presse und Öffentlichkeit verlangen doch, dass jeder (Spitzen-)Politiker jederzeit zu jedem Thema etwas Substanzielles zu sagen hat – und zwar so kurz und prägnant, dass es sich möglichst auch noch in einen Tweet oder eine Schlagzeile quetschen lässt. Dabei wäre es genau das, was wir bräuchten: eine Öffentlichkeit, die nicht erwartet, dass alles in Echtzeit kommentiert und analysiert wird, sondern Politikern (und Journalisten!) für ihre Einschätzungen genügend Zeit lässt und nicht nur dem Aufmerksamkeit schenkt, der am schnellsten und am lautesten schrei(b)t. Jedes Land schafft sich seine eigene politische Kultur. Und wir können uns vor diesem Hintergrund kaum allen Ernstes beklagen, wenn unsere Volksvertreter vor den Mikrofonen oft inhaltslose Phrasen dreschen. MICHAEL SCHÖFFSKI, Köln