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Archiv-Artikel

Chancen auf Neuwahlen steigen

ITALIEN Der Spitzenkandidat des Mitte-links-Bündnisses, Pier Luigi Bersani, scheitert an Regierungsbildung. Jetzt muss Präsident Giorgio Napolitano ran

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Pierluigi Bersani, Chef der Partito Democratico (PD), hat es nicht geschafft, eine Regierung zu bilden. Nach Konsultationen mit allen im Parlament vertretenen Parteien wurde deutlich, dass ein Kabinett Bersani im Senat keine Mehrheit haben würde.

Am Donnerstagabend begab sich Bersani zu Staatspräsident Giorgio Napolitano, um ihm sein Scheitern mitzuteilen. Ein Scheitern, das keineswegs überrascht: Nach den Wahlen vom 24./25. Februar hat die PD mit ihrem Allianzpartner Sinistra Ecologia Libertà (SEL – Linke, Ökologie, Freiheit) zwar eine komfortable Mehrheit im Abgeordnetenhaus, weil das italienische Wahlrecht der führenden Koalition automatisch 340 der 630 Sitze einräumt. Aber das nutzt der PD nichts, denn auch der Senat muss der Regierung das Vertrauen aussprechen. Dort aber hält der Mitte-links-Block, der bei den Wahlen auf enttäuschende knappe 30 Prozent der Stimmen kam, nur 123 der 315 Sitze. Fast genauso viele Senatoren zählt das Berlusconi-Lager. 54 Sitze hat das MoVimento 5 Stelle (M5S) unter Beppe Grillo.

Bersani hatte beim Versuch der Regierungsbildung alle Karten auf ein Agreement mit M5S gesetzt. Ein gewagtes Unterfangen: Grillo hatte seinen ganzen Wahlkampf mit heftiger Polemik gegen die Altparteien („Alle ab nach Hause!“) geführt. Die Vertreter von M5S bestanden darauf, dass ihr Treffen mit Bersani per Lifestream übertragen wurde – und ließen dort den PD-Chef am letzten Mittwoch abblitzen. Bersani nützte es auch nichts, dass er mit einer „Regierung der Wende“ lockte. Als Antwort bekam er zu hören, seit zwanzig Jahren versprächen die Parteien Dinge, die sie dann nie eingehalten hätten.

Die Haltung von M5S ist logisch. Die 5-Sterne-Bewegung wünscht sich eine große Koalition der PD mit dem Berlusconi-Lager, in der Hoffnung, als einzige Opposition bei den nächsten Wahlen vom angesichts der tiefen Krise unvermeidlichen Bürgerunmut zu profitieren. Grillo hat damit das gleiche Wunschszenario wie Silvio Berlusconi: Auch der bei den Wahlen wiederauferstandene Chef der Rechten wäre sofort zu einer großen Koalition bereit. Davon aber wollte Bersani nichts wissen: Ihm ist bewusst, dass die eigene Wählerschaft ein Zusammengehen mit Berlusconi ablehnt.

Damit war das Scheitern der Regierungsbildung programmiert. Staatspräsident Napolitano begann am Freitag eine weitere Konsultationsrunde mit den Vertretern der Parteien, um alternative Lösungen zu sondieren. Als realistisch gelten nur zwei Szenarien. Entweder Napolitano dringt auf die Bildung einer „Regierung des Präsidenten“: sprich auf ein Kabinett, das von einer Person seines Vertrauens mit hoher, überparteilicher Autorität geführt wird. Oder Italien wird erneute Wahlen erleben, womöglich schon im Juni.

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