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Archiv-Artikel

Die Säulen der ersten Liga

Die Bagger stehen still, Lastkräne sind weggeschafft: Zweitliga-Stadt Paderborn hofft auf den Bau der neuen Arena

„Sie hätten die Stimmung hier erleben sollen, als wir aufgestiegen sind – niemand hätte das für möglich gehalten“

AUS PADERBORNHOLGER PAULER

Wilfried Finke, Präsident des Fußball-Zweitligisten SC Paderborn 07, hat es sich am Rande der ostwestfälischen Bischofsstadt gemütlich gemacht. Auf 40.000 Quadratmetern. „Finke – Das Erlebnis Einrichten“, prangt auf einem riesigen rechteckigen Betonklotz. Eine blaue Lichtleiste schließt das Dach ab, darunter: eine Banderole in Schwarz-Rot-Gold. Finke hat einen Traum: In unmittelbarer Nachbarschaft soll das neue Stadion des SC Paderborn entstehen. Die „Paragon-Arena“, ein hochmodernes, reines Fußball-Stadion für 15.000 Zuschauer. „Erstligatauglich“, wie der Präsident immer wieder gerne betont. Vor einigen Wochen hat er den Traum von der ersten Liga leichtfertig ausgesprochen: „In drei Jahren“ könne er sich schon vorstellen, dass „der SC Paderborn auch mal in der ersten Liga spielt“, so Finke. Seitdem wird ihm diese Aussage permanent vorgehalten.

Von seinem Büro kann Finke die Bauarbeiten an seinem Stadion beobachten. Am 12. Juli dieses Jahres war Spatenstich. Der Rohbau der Tribünen erfolgte zwei Monate später. Am 26. Oktober wurde der Rasen verlegt. Die ursprüngliche Eröffnung war für Anfang Januar geplant. Rekordmeister Bayern München hatte sich schon zu einem Freundschaftspiel angekündigt. Doch seit dem 16. November stehen die Bagger still, ruht die Arbeit auf der Baustelle. Das Oberverwaltungsgericht des Landes NRW in Münster hat die von der Stadt erteilte Baugenehmigung für den Stadionneubau außer Vollzug gesetzt. Mehrere Anwohner hatten gegen den Bau geklagt. Zunächst ging es um die Verkehrsbelästigung, später war es vor allem die unzureichende Parkplatzsituation. Die Stadt setzte daraufhin die Baugenehmigung außer Kraft.

„Uns sind die Hände gebunden“, sagt Martin Hornberger, Geschäftsführer der Paderborner Stadion Gesellschaft mbH (PSG). Er guckt verzweifelt Richtung Stadion-Baustelle. Der riesige Vorplatz ist menschenleer. Lastkräne wurden abgebaut, das Baumaterial weggebracht. Mehrere Dutzend Pfeiler ragen Richtung Himmel. Die grauen Betonträger der Tribünen wirken an diesem diesigen, nasskalten Dezembertag verloren, heben sich kaum vom Hintergrund ab.

Fußball spielte nie eine wirkliche Rolle in der ostwestfälischen Stadt. Die lokalen Vereine dümpelten in den Amateurligen vor sich hin. Wer höherklassigen Fußball sehen wollte, fuhr nach Bielefeld oder gleich nach Dortmund oder Schalke. 1982 gelang dem TuS Schloss Neuhaus der Sprung in die Zweite Bundesliga. Am Ende stieg der Verein als Tabellenletzter ab – nicht mehr als eine Randnotiz. Gemeinsam mit zehn weiteren Vereinen schlossen sich die Neuhäuser im Jahr 1985 zum TuS Paderborn Neuhaus zusammen, 1997 erfolgte dann die Umbenennung zum SC Paderborn 07.

Bezeichnend, dass das größte Interesse am SC Paderborn in Folge des Wettskandals um Schiedsrichter Robert Hoyzer entstand. Hoyzer hatte am 21. August 2004 in der zweiten Hauptrunde des DFB-Pokals auf einen Sieg des SC Paderborn gegen den Erstligisten Hamburger SV gewettet. Der damalige Drittligist Paderborn gewann 4:2 – unter anderem durch zwei umstrittene, von Robert Hoyzer verhängte Foulelfmeter. Hoyzer wurde mittlerweile verurteilt.

Hornberger führt durch den aufgeweichten Lehmboden ins Stadion. Drei Bauarbeiter werkeln an Stufen und Ritzen. Zu Hochzeiten waren es 200. „Der Bau soll winterfest gemacht werden“, sagt Hornberger. „Wenn das Stadion fertig ist, muss hier niemand im Regen stehen“, erklärt er stolz. Die Stimme wird lauter. Er glaubt an den Erfolg des Projektes – trotz der aussichtslosen Situation. Die Ecken werden geschlossen, die Tribünen vollkommen überdacht. Als Vorbild dient das Stadion im niederländischen Heerenveen. Die Zuschauerränge beginnen zwei Meter über dem Spielfeld. Im Erdgeschoss gibt es nur Verpflegungs-Buden und Toiletten, damit niemand während des Spiels das Stadioninnere verlassen müsse, so Hornberger.

Der SC Paderborn ist auf das Stadion angewiesen. Momentan trägt der Aufsteiger seine Spiele im alten Hermann-Löns-Stadion aus. Knapp 10.000 Zuschauer passen dort rein. Erst im September wurde eine Flutlichtanlage installiert. Der Deutsche Fußballbund (DFB) erlaubt den Spielbetrieb nur mit einer Ausnahmegenehmigung – bis Ende Januar. Der Sportplatz des SC Paderborn-Vorläufer TuS Schloss Neuhaus erfüllt die Anforderungen des Profifußballs kaum: Eine Tribüne, unüberdachte Stufen, der freie Platz hinter einem Tor wird durch einen Zaun notdürftig abgesperrt. Sanitäranlagen, Infrastruktur und Kapazität reichen nicht aus: 15.000 Plätze sind normalerweise das Minimum. Wenn man den DFB davon überzeugen könne, dass das Stadion im Oktober fertig sei, „sollte die Lizensierung für die kommende Saison auch kein Problem sein,“ sagt Martin Hornberger.

„Sie hätten die Stimmung erleben sollen als wir aufgestiegen sind“, sagt Günther Rybarczyck, sportlicher Leiter des SC Paderborn. „So etwas hätte hier nie jemand für möglich gehalten.“ Der Aufstieg und die gute Hinrunde haben für einen Aufbruch gesorgt. Bei den Heimspielen waren durchschnittlich 6.000 Zuschauer da. Zum Auswärtsspiel in die Münchener Allianz-Arena gegen 1860 München wurde die Mannschaft von 3.500 Zuschauern begleitet, nach Aachen und Bochum fuhren 2.000 Fans. Vor zwei Jahren in der Regionalliga kamen zu den Heimspielen viel weniger. Die Mannschaft von Trainer Jos Luhukay belegt aktuell den neunten Tabellenplatz. 23 Punkte nach 16 Spielen sind mehr als die halbe Miete für den Klassenerhalt. Der Abstand zu den Aufstiegsrängen beträgt nur sechs Punkte.

Die Anwohner sind nicht bereit, ihre Klage zurück zu ziehen. An der Paderborner Straße stehen sechs Einfamilienhäuser. 16.000 Autos kommen hier täglich vorbei. Ein Kreisverkehr soll in Zukunft das Verkehrsaufkommen entzerren, den Rückstau Richtung Autobahn verhindern. Es sind drei Wohnparteien, die klagen. Anwohner der vielbefahrenen Paderborner Straße, wenige hundert Meter von der Anschlussstelle Paderborn-Elsen der A33 entfernt, in Sicht- und Hörweite des Finke-Baumarktes. Eine ruhige Lage sieht anders aus. Äußern wollten sie sich zu ihren Beweggründen nicht. „Meine Mandanten wollen lieber nicht in der Öffentlichkeit auftreten“, sagt Rechtanwalt Heinrich Loriz. Am vergangenen Montag gab es einen Termin mit den Mandanten. Ziel sei gewesen, eine einvernehmliche Lösung anzustreben, so Loriz – ohne Ergebnis. „Es gibt keine neue Entwicklung.“

Eine Versammlung der Stadiongesellschaft am Dienstagabend hat sich noch einmal einstimmig für die Paragon-Arena ausgesprochen. Die Geldgeber trafen sich in den Containern an der Stadionbaustelle. „Dann können sie ein wenig von der Atmosphäre schnuppern“, sagt Martin Hornberger. Heute Abend wird der Rat der Stadt tagen. „Die Zeichen sind positiv“. Und wenn es doch noch scheitert? „Dann droht die Insolvenz“, sagt Hornberger. 9,5 Millionen Euro wurden für das gesamte Projekt veranschlagt. 13 Stadiongesellschafter haben 1.070.000 Euro eingebracht. Die Stadt hat einen Zuschuss von 3,4 Millionen Euro zugesagt, 2,3 Millionen davon sind noch offen. Und erst wenn diese Zuschüsse fließen, sind auch die Banken bereit, einen Kredit von 3,5 Millionen Euro zu gewähren. Die Frist endet am 30. Dezember. Momentan klafft schon ein Loch von knapp einer halben Million Euro in der Vereinskasse. Zuschauer- und Werbeeinnahmen aus der neuen Arena, mit denen bereits kalkuliert wurde, noch nicht eingerechnet.

„Die Unsicherheit behindert auch meine Arbeit“, sagt Rybarczyk. Vertragsgespräche liegen zur Zeit auf Eis. „Die Spieler wollen natürlich wissen, ob und wie es weiter geht.“ Außerdem sei das Stadion auch ein Anreiz für die Spieler. „Finanzielle Argumente können wir nicht liefern“, sagt Rybarczyk. „Wir sind keine Fußballstadt wie Bielefeld oder Kaiserslautern“, sagt er laut und bestimmt, „aber wir haben unsere Nische gefunden“. Die Hinserie habe ja gezeigt, was möglich sei. Sollte es aber zu keiner einvernehmlichen Lösung, „ist der ganze Aufbruch wieder dahin“ und Paderborn fristet wieder sein Dasein, abseits des großen Fußballs. Und Präsident Finke muss sich wohl um eine neue Aussicht bemühen.