: Jugendliche ohne Statistik
Wirtschaft zieht positive Bilanz des Ausbildungspakts 2005. Doch die Arbeitsagentur hat schärfer gesiebt denn je und 12.000 Ratsuchende nicht als Bewerber registriert
Um die Ausbildungsplatzabgabe zu stoppen, wurde vor zwei Jahren auch in Hamburg ein „Ausbildungspakt“ geschlossen. Proklamiertes Ziel: Jeder Jugendliche, der als willig und fähig gilt, soll eine Lehrstelle oder wenigstens ein vorgeschaltetes Praktikum namens „Einstiegsqualifikation“ (EQ) bekommen. Dafür wollte der Pakt jährlich 700 zusätzliche Ausbildungsplätze und 500 EQs anbieten.
Die Initiatoren des Paktes zogen gestern eine positive Bilanz. Mit insgesamt 1.782 zusätzlichen Lehrstellen habe man das Ziel „um über 100 Prozent weit übertroffen“, freute sich Handwerkskammer-Präses Karl-Joachim Dreyer und mahnte den DGB, endlich die „unsinnige Forderung“ nach einer Zwangsabgabe zu lassen. Auch bekamen nach einer „Nachvermittlungsaktion“ im November nunmehr 10.752 junge Leute einen Lehrvertrag.
Laut Arbeitsagentur-Chef Rolf Steil gab es 9.098 Hamburger Bewerber, zu der eine „Summe X“ aus dem Umland hinzukommt. Zu der Nachvermittlungsaktion waren die 1.373 bis dato unvermittelten Jugendliche eingeladen worden, von denen 684 kamen. Von denen wiederum wurde 192 eine Lehrstelle angeboten. Die übrigen knapp 500 wurden als noch nicht ausbildungsfähig eingestuft, wobei immerhin 385 für eine EQ und 43 für eine schulische Maßnahme geeignet seien – 64 jedoch für gar nichts.
Doch wer denkt, damit sei die diesjährige Bewerberlage aufgeklärt, irrt. Laut GEW-Chef Klaus Bullan besuchen derzeit mindestens 6.500 Jugendliche schulische Warteschleifen, die „eigentlich eine Lehrstelle suchen“. Und Heiko Gröpler von der DGB-Jugend kommt nach einen Blick in die Statistik zum Schluss, dass die Agentur schon vorab unter den Schulabgängern „schärfer siebte denn je“. Denn gefragt um Rat für eine Erstausbildung hatten laut Statistik 27.863. Zieht man davon Abiturienten ab, bleiben rund 21.000 junge Menschen, von denen 12.000 nicht in Steils Bewerberliste auftauchen.
Von den 8.900 Ratsuchenden aus früheren Abschlussjahren wurden zum Beispiel nur 3.200 als Bewerber anerkannt. Laut Gröpler sind dies 20 Prozent weniger als 2004. Auch von den 8.200 Ratsuchenden mit frischem Hauptschulabschluss wurden nur 2.600 als Bewerber geführt, dies sind ebenfalls rund 21 Prozent weniger als im Vorjahr. „Es kann nicht sein“, wundert sich Gröpler, „dass ein ganzer Jahrgang auf einmal so viel schlechter ist.“ Ohne diese Steigerungsraten hätte der Ausbildungspakt mindestens 1.500 Bewerber versorgen müssen.
Agentur-Sprecher Knut Böhrnsen bestätigt die DGB-Zahlen. Es sei in der Tat so, dass die Berater jetzt stärker gucken, „ob wir Jugendliche als Bewerber aufnehmen können“. Schwacher Trost: Von den neuartigen EQ-Praktika sind noch 445 übrig, auf die sich jetzt alle bewerben dürfen. KAIJA KUTTER