Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Dass die irrsinnige Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes keine Erfindung der letzten Jahre ist, zeigt uns die nunmehr beinahe sechzig Jahre alte satirische Weihnachtskomödie „Miracle on 34th Street“ (Das Wunder von Manhattan, 1947). In dem amerikanischen Klassiker von George Seaton spielt Edmund Gwenn die oscarprämierte Rolle eines älteren Herren, der sich in der Spielwarenabteilung des riesigen Kaufhauses Macy’s als Weihnachtsmann anstellen lässt: Anstatt aber den Kindern die Ladenhüter seines Arbeitgebers aufzuschwatzen, schickt er die Kunden lieber zur Konkurrenz, falls die verlangten Waren dort vorrätig oder gar preisgünstiger sein sollten. Allerdings erweist sich seine Ehrlichkeit schnell als allerbeste Werbung für Macy’s: Die Kunden sind begeistert, die Kassen klingeln so süß wie nie, und die Konkurrenz sieht sich zu ähnlichem Geschäftsgebaren genötigt. Zynischer geht es ja eigentlich kaum mehr. Ärger bekommt der freundliche Alte erst dann, als er behauptet, er sei der echte und einzig wahre Nikolaus: Das mag weder seine pragmatische Chefin (Maureen O’Hara) hinnehmen, die ihre kleine Tochter (Natalie Wood) ganz ohne Märchen für die harte Realität fit machen will, noch der komplexbeladene Betriebspsychologe, der den Weihnachtsmann für gefährlich hält und ihn in eine Anstalt einweisen lassen will. So muss schließlich ein Gericht über dessen Existenz urteilen – was die Geschichte wiederum zum Thema Kommerz zurückbringt. Denn der gerade zur Wiederwahl stehende Richter bekommt zwingend logisch erklärt, was eine negative Entscheidung für Folgen hätte: Ohne Weihnachtsmann gibt es keine Kinder-Wunschzettel, ohne Wunschzettel keinen Konsum, ohne Konsum werden Arbeitsplätze abgebaut, keine Arbeitsplätze bedeutet Ärger mit der Gewerkschaft und ohne Wohlwollen der Gewerkschaft gibt es keine Wiederwahl …
Seiner Liebe zum Makaberen frönt Regisseur Tim Burton auch in dem ironischen Quasi-Horrorfilm „Sleepy Hollow“ (1999), der den stets mit großem Vergnügen anzusehenden Johnny Depp in der Rolle des Polizisten Ichabod Crane aus New York zeigt. Jener kommt 1799 in einen abgelegenen kleinen Ort, um eine seltsame Mordserie aufzuklären: Den Opfern fehlt der Kopf. Reichlich arrogant nähert sich der von der Ratio bestimmte Ichabod den abergläubischen Dörflern, die das Gespenst eines hessischen Söldners für die Todesfälle verantwortlich machen, doch schon bald muss er bemerken, dass seine wissenschaftlichen Ermittlungsmethoden so gar nicht zum Erfolg führen. Eher schon wirkt Ichabod angesichts eines kopflosen Reiters, weiterer rollender Köpfe und der hübschen Katrina (Christina Ricci) nun selbst ein wenig kopflos …
Weniger unterhaltsam geht es in Jean-Luc Godards reichlich monumentalem Essaywerk „Histoire(s) du cinéma“ (1989–1999) zu: eine enorm anspruchsvolle Collage aus sich überlagernden Bildern, Tönen, Musiken und literarischen Zitaten, deren acht Kapitel am 17. 12. im Arsenal-Kino erstmals in Deutschland hintereinander zu sehen sind. Siehe Französisches Kino. LARS PENNING