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Archiv-Artikel

Eine Prise Aufklärung

Gestern sollte der Bundestag alles über CIA-Entführungen, -Flüge und al-Masri erfahren. Zufrieden sind nur die Schwarz-Roten

Schäuble: Es ist „nicht in den Akten“, dass Zammar in Syrien gefoltert wurde

AUS BERLIN J. KÖNIG, L. WALLRAFF, U. WINKELMANN

Einen „Tag der Aufklärung“ hatte die SPD angekündigt. Einen „Tag der Wahrheit“ hatte sich der Grüne Christian Ströbele gewünscht. Gestern sollten alle Fragen geklärt werden, die bisher unter den Schlagworten „al-Masri“ und „CIA-Geheimflüge“ von der alten und von der neuen Regierung nur unzureichend beantwortet wurden. Die interne Ansage der Kanzlerin lautete: Bis Weihnachten wolle sie das leidige Thema vom Tisch haben.

Das könnte schwierig werden. Denn drei Ausschusssitzungen und eine Bundestagsdebatte später sind jedenfalls viele Parlamentarier nicht wirklich schlauer. „Man erfährt hier wirklich weniger, als in der Zeitung steht“, sagte der Abgeordnete Wolfgang Gehrcke, der den Außenminister immerhin fast eineinhalb Stunden im Auswärtigen Ausschuss gehört hat. Die Tatsache, dass der 61-Jährige Mitglied der Linkspartei ist, macht sein Urteil vielleicht erwartbar. Aber in allen drei Oppositionsparteien teilen viele diese Einschätzung.

Ein Tag der nur sehr bedingten Aufklärung, das war der Mittwoch wohl eher. Im Fall des von der CIA entführten Khaled al-Masri gab es einige Klarstellungen – bei vielen anderen, zum Teil grundsätzlicheren Fragen wie den nach dem Wissen der Regierung über mögliche Gefangenentransporte und Folterungen gab es Abwiegelung, Ausweichen oder den Verweis auf das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium.

Die Hauptperson war ohne Zweifel Frank-Walter Steinmeier, der Außenminister. Bevor er im Bundestag redete, kam er in den Auswärtigen Ausschuss. 45 Minuten sprach Steinmeier am Stück, es blieb kaum Zeit für Fragen. Dem SPD-Politiker Gert Weisskirchen genügte Steinmeiers „komprimierte Zusammenfassung“. Der Grüne Jürgen Trittin nannte wie andere Oppositionspolitiker Steinmeiers Ausführungen dagegen „nicht erschöpfend“. Der Auswärtige Ausschuss hat sich zur weiteren Aufklärung auf heute, 8 Uhr vertagt.

Gestern hat der grüne Exminister immerhin schon einmal zwei Dinge erfahren, die für die Grünen entlastend klingen. Erstens: Exinnenminister Otto Schily (SPD) informierte im Mai 2004 „offenkundig“ weder Außenminister Joschka Fischer noch den damaligen Kanzleramtschef Steinmeier über sein vertrauliches Gespräch mit US-Botschafter Dan Coats; in dem Gespräch hatte Coats die Entführung al-Masris bestätigt. Zweitens: Der Eindruck, die rot-grüne Regierung habe nichts unternommen, um das Schicksal al-Masris aufzuklären, sei „so nicht mehr zu halten“, meint Trittin. Die Regierung habe den Fall zu rekonstruieren versucht, Nachrichtendienste und mehrere Botschaften im Ausland eingeschaltet. Allein das BKA sei neunmal bei US-Behörden vorstellig geworden.

Unklar blieb Trittin zunächst, ob der aus Bremen stammende Murat Kurnaz, der seit vier Jahren im US-Lager Guantánamo festgehalten wird, dort von deutschen Behörden verhört wurde. Hier schaffte Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) später im Bundestag kaum mehr Klarheit: „In Guantánamo ist, wenn ich richtig informiert bin, ein Mensch vernommen worden auch von deutschen Sicherheitsbehörden, aber nicht von Mitarbeitern des Bundeskriminalamts“, erklärte Schäuble.

Schäubles Auftritt zuvor im Innenausschuss führte zu ebenso unterschiedlichen Bewertungen wie Steinmeiers Ausschussbesuch. So sagte die Grüne Silke Stokar, die Sitzung sei „ein Flop“ gewesen, weil nur ein Bruchteil aller Themen behandelt worden sei. Schäuble hatte zwischen Kabinett und Bundestagsplenum nur eine gute Stunde Zeit. Diese hätten die Vertreter von Union und SPD auch noch durch „dumme Lobhudeleien“ an die eigene Adresse vertrödelt, schimpfte Petra Pau (Linkspartei). Kein Problem für SPD-Mann Dieter Wiefelspütz: Er sei „sehr zufrieden“. Immerhin wisse man nun, dass es im Fall al-Masri, entgegen anders lautenden Vermutungen, „kein Zusammenwirken deutscher Sicherheitsbehörden und ausländischer Sicherheitsbehörden gegeben“ habe, jedenfalls nicht „bis zur Freilassung“ des CIA-Entführungsopfers. Schäuble soll „definitiv“ ausgeschlossen haben, dass al-Masri auf Grundlage deutscher Geheimdiensterkenntnisse von der CIA verschleppt wurde.

Was Schäuble gesagt habe, sei „offen und glaubhaft“ gewesen, erklärte der FDP-Vertreter Max Stadler. Jedoch seien „viele Themen nur angeritzt worden“. Für den Fall des deutschen Staatsbürgers Mohammed Haydar Zammar etwa, der in Syrien inhaftiert ist und dort von deutschen Beamten verhört wurde, sei „fast keine Zeit mehr geblieben“. Dies bemängelten auch die Grünen.

Lediglich SPD-Mann Wiefelspütz hatte auch dazu keine Fragen mehr: „Ich denke, dass auch hier in ausreichendem Maße darauf hingewiesen worden ist, dass Herr Zammar nach deutschen Erkenntnissen nicht gefoltert worden ist – das behauptet er wohl auch selber nicht.“ Im Bundestag bestätigte Schäuble, dass BKA-Beamte Zammar verhört und sich „korrekt verhalten haben“. Es sei im Übrigen „nicht in den Akten“, dass Zammar in Syrien gefoltert worden sei.

Nur unwesentlich mehr dürfte der Rechtsausschuss über das Schicksal Zammars erfahren haben, der gestern die gewesene und aktuelle Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) empfing. Die FDP-Rechtspolitikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte: „Unser Eindruck war, dass sie nicht gut vorbereitet gewesen ist.“ Der Grüne Jerzy Montag bemängelte, „Frau Zypries war nicht über alle Tagesordnungspunkte informiert.“

Vorwürfe rot-grüner Untätigkeit seien „so nicht mehr zu halten“, freut sich Trittin

Zammar wurde Ende 2001 von der CIA in ein berüchtigtes Foltergefängnis in Syrien gebracht. Er gilt als eine Art Ziehvater der Selbstmordattentäter vom 11. September 2001 und ist deutscher Staatsbürger – wird jedoch von den syrischen Behörden nicht als solcher betrachtet. Laut undementierten Berichten hat Syrien bei einem Besuch im Kanzleramt im Juli 2002 einen Deal gemacht: Die deutschen Behörden ließen einige stark belastete Syrer in Deutschland in Ruhe. Dafür dürften deutsche Geheimdienst- und Bundeskriminalamtsleute Zammar in Damaskus verhören.

Zypries habe einfach behauptet, vom Treffen im Kanzleramt nichts zu wissen, und habe auch gesagt, das „sei kein Geschäft auf Gegenseitigkeit gewesen“, sagte Jerzy Montag gestern. „Es bleibt ein bitterer Beigeschmack, dass sich die deutschen Behörden eines Unrechtsregimes bedienen, um an Erkenntnisse zu kommen, die dann noch nicht einmal den Ermittlern zur Verfügung stellen.“ Denn das Verfahren des Generalbundesanwalts Kay Nehm gegen Zammar läuft ja noch.

Im Fall al-Masri bestreitet Nehm seine Zuständigkeit: Dafür sieht die Bundesanwaltschaft „im Moment keine Anhaltspunkte“, hieß es gestern. Eine politisch motivierte Verschleppung liege nicht vor. Deshalb ist gegenwärtig die Staatsanwaltschaft München zuständig.

Die FDP behält sich vor, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen, erklärte Leutheusser-Schnarrenberger, wenn die Regierung weiter „flapsig“ versuche, „die Sachen wegzuschieben und totzumachen“.

Besonders dreist soll der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament vorgegangen sein. Laut „stern.de“ soll Martin Schulz den Grünen angeboten haben, die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses im Europarlament zu unterstützen. Im Gegenzug sollten die Grünen das Begehren von FDP und Linkspartei blockieren, einen U-Ausschuss im Bundestag einzurichten. Dies bestätigte der Grünen-Fraktionschef im EU-Parlament, Daniel Cohn-Bendit: „Aber der Bundesvorstand der Grünen hat dieses Zusammenspiel abgelehnt.“