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Archiv-Artikel

Weg aus der Realität

COMPUTERSUCHT Besonders junge Männer sind gefährdet, sich in Online-Spielen zu verlieren. Die Folgen können fatal sein

Sie sitzen stundenlang am PC und vergessen dabei die reale Welt. Immer mehr Jugendliche – vor allem Jungen – gelten als computerspielabhängig. Der Weg in die Abhängigkeit verläuft oft schleichend. Für Torben Berger (Name geändert) war das Spielen anfangs bloß ein Zeitvertreib: „Ich hatte sonst nichts anderes zu tun“, erzählt der 18-Jährige aus dem Landkreis Osnabrück. Mehr als ein Jahr lang war er dem Online-Computerspiel „Counterstrike“ verfallen.

Im Endstadium wollte er nicht mehr raus aus seinem Zimmer, nicht mehr arbeiten, essen oder sich gar waschen – nur noch spielen. Dass etwas mit ihm nicht stimmt, merkt Torben irgendwann selbst. „Meine Hülle lebt, aber ich bin tot“, gesteht er seiner Mutter eines Tages. „Wir haben uns den Mund fusselig geredet, aber an Torben war kein Herankommen mehr“, erinnert sich Mutter Karin. Die besorgten Eltern versuchen Hilfe zu finden, zunächst jedoch vergeblich: „Die Ärzte wollten Torben bloß krankschreiben.“

Ihre Suche führt die Bergers zu Rainer Wonke von der Suchtberatungsstelle der Diakonie im Kreis Osnabrück. Der Experte für „pathologischen Mediengebrauch“ zweifelt nicht, dass Torben eine stationäre Therapie braucht. Doch die Rentenkasse in Hannover, die den Klinikplatz bezahlen soll, stellt sich quer. „Man sagte uns, das sei ja keine anerkannte Krankheit“, erzählt Vater Jochen.

Längst hat Torben seine Lehrstelle eingebüßt. Doch die Bergers lassen nicht locker, organisieren eigenmächtig den Klinikplatz und drohen der Rentenkasse mit der Presse. Schließlich lenkt man in Hannover ein.

In der Klinik wird Torben von „Hundert auf Null“ abgebremst, muss lernen, sich zu öffnen. Anfangs weiß er nicht, wohin mit seinen Aggressionen. Doch dann entdeckt er die „Muckibude“. Als die Eltern erstmals zu Besuch dürfen, hat sich Torben verändert: „Er hat wieder geredet und man kam an ihn heran.“ Mittlerweile ist Torben wieder zu Hause und auf der Suche nach einer Lehrstelle. Wie es jetzt weitergehen soll, weiß Torben nicht. Doch zumindest den Weg aus der Sucht hat er geschafft.

Studien zufolge gelten drei bis sieben Prozent aller deutschen Internetnutzer bereits als süchtig. Eine Befragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen unter 15.000 Schülern ergab, dass 16 Prozent der 15-jährigen Jungen täglich mehr als 4,5 Stunden am Computer spielen. Unterschieden werden drei Formen: Chatsucht, Rollenspiel- und Glücksspielsucht sowie Online-Sexsucht.  (dpa)