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Archiv-Artikel

Wenn es ohne Lotto nicht mehr geht

GLÜCKSSPIEL Die Suchtgefährdung beim Lottospiel ist vergleichsweise gering, ein Restrisiko besteht dennoch. Zusammen mit Suchtforschern versucht Lotto Hamburg deshalb, Spieler vor einer Abhängigkeit zu bewahren

„Es geht nicht darum, aus dem Personal Ersatztherapeuten zu machen“

JENS KALKE, ZIS HAMBURG

VON LISA KRICHEL

Lotto ist längst ein Volksport in Deutschland: Wöchentlich werden rund 19 Millionen Spielscheine eingereicht. Und das, obwohl die Gewinnchance nur bei 1 : 14 Millionen liegt. Kein Wunder also, dass der Staat sein Monopol auf Sportwetten, Lotterien und Spielbanken bewahren möchte, denn er verdient gut an den vielen Lottospielern.

Das Risiko einer Abhängigkeit ist im Vergleich mit anderen Formen des Glücksspiels wie dem Automatenspiel gering. Die Experten des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) in Hamburg beziffern die Zahl der süchtigen Spieler auf etwa 0,3 Prozent. „Es gibt viele Millionen Lotto-Spieler. Deshalb ergibt auch ein niedriger Anteil suchtgefährdeter Spieler eine relevante Anzahl von Problemspielern“, sagt Jens Kalke vom ZIS. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2006 unterstreicht diese Haltung: Das staatliche Monopol für Sportwetten sollte nur bestehen bleiben, wenn der Staat sich der Suchtbekämpfung verschreibe.

Vor diesem Hintergrund hat Lotto Hamburg, eine hundertprozentige Tochter der Hansestadt, in Zusammenarbeit mit dem ZIS das Projekt „Aktive Spielsuchtprävention“ eingerichtet. Das Risiko einer Sucht schätze man eigentlich als sehr gering ein, sagt Birte Engelken, Pressesprecherin von Lotto Hamburg. Dennoch sei es nicht auszuschließen, dass Spielsüchtige auch Lotto spielen, begründet Engelken das Konzept zur Spielsuchtprävention.

Besonderer Wert wird dabei auf die Schulung der Mitarbeiter in den Lottoannahmestellen gelegt. Rund 75 Prozent der Lotto-Kunden sind Stammkundschaft. Eine Studie der Berliner Charité hat ergeben, dass es vor allem Rentner sind, die einen engen Kontakt zu den Mitarbeitern pflegen. Häufig nutzten sie den Besuch der Lottobude und das Ausfüllen des Scheins, um Zuwendung und Aufmerksamkeit zu bekommen, so das Ergebnis der Wissenschaftler.

„Bei dieser Schulungsreihe geht es aber nicht darum, aus dem Personal Ersatztherapeuten zu machen“, sagt Jens Kalke. Stattdessen wolle das ZIS erreichen, dass bei Problemspielern nicht mehr weggeschaut wird. Dazu gehört die Förderung eines Bewusstseins für die Suchtproblematik. Hierbei müsste erst einmal geklärt werden, was Spielsucht überhaupt ist und wie diese sich ausdrückt, sagt Lotto-Sprecherin Birte Engelken.

Um Spielsüchtigen zu helfen, hat Lotto Hamburg sogar eine Telefonhotline sowie die Internetseite www.spielen-ohne-sucht.de eingerichtet. Diese richten sich nicht nur an Betroffene, sondern auch an Angehörige. Rund 30 bis 40 Personen seien es, die diese Angebote täglich nutzen. „Das hört sich nicht viel an, ist in einer Stadt wie Hamburg aber beachtlich“, sagt Engelken zu bedenken. Spielsuchtgefährdete und verschuldete Menschen können außerdem mit einer Sperre belegt werden oder sich sogar selbst für Lotterien sperren lassen. Zu diesem Zweck wurde eine bundesweite Sperrdatei eingerichtet, auf die alle Lottostellen zugreifen können. Die Sperrung erfolgt für unbestimmte Zeit, mindestens aber für ein Jahr.