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Archiv-Artikel

Napolitano greift ganz tief in die Trickkiste

ITALIEN Der Staatspräsident setzt zwei Arbeitsgruppen ein, um die Regierungskrise zu lösen. Sie sollen quasi die Bildung einer großen Koalition vorwegnehmen und damit schnelle Neuwahlen vermeiden

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Eine neue Regierung gibt es nicht – dafür aber zwei „Arbeitsgruppen“, die sich um das Wohl Italiens kümmern sollen. Mit dieser wahrhaft innovativen Lösung sucht Staatspräsident Giorgio Napolitano einen bizarren Ausweg aus dem politischen Patt nach den Wahlen im Februar.

Am Karfreitag hatte Pierluigi Bersani, der von Napolitano mit Sondierungen zur Regierungsbildung betraute Chef der gemäßigt linken Partito Democratico (PD), dem Präsidenten sein Scheitern erklärt. Bersani will nicht mit der Berlusconi-Rechten, während sein Wunschpartner, die Protestliste Beppe Grillos, nicht mit ihm will. Napolitano hätte in dieser Situation nur einen Ausweg gehabt, um den Weg zu sofortigen Neuwahlen freizumachen: den sofortigen Rücktritt. Denn seine eigene Amtszeit als Staatspräsident läuft am 15. Mai aus – und in den letzten sechs Monaten seines Mandats ist ihm die Parlamentsauflösung untersagt.

Doch es war dann EZB-Chef Mario Draghi, der Napolitano überzeugte, im Amt zu bleiben. Wäre er gegangen, dann – so Draghis Befürchtung – wäre der Spread am Dienstag nach Ostern sofort hochgeschossen, weil Europa das ganze Ausmaß der politischen Krise Italiens begriffen hätte.

Stattdessen tut Napolitano jetzt so, als gebe es die Krise gar nicht. Italien habe schließlich eine geschäftsführende Regierung unter Mario Monti, erklärte er am Samstag, als er die Einrichtung der zwei Arbeitsgruppen bekannt gab. Eine Regierung, die durch keinerlei Wahlen legitimiert ist. Montis Liste erreichte in den Wahlen vor fünf Wochen jämmerliche 10 Prozent. Durch keinerlei Wahlen sind auch die zwei Arbeitsgruppen legitimiert, ein Club von zehn durchweg männlichen Senioren, die einerseits „politisch-institutionelle“, andererseits „ökonomisch-soziale“ Perspektiven für eine zukünftige Regierung ausarbeiten sollen.

Doch Napolitano geht es um zwei Dinge. Erstens will er Italien über die Zeit retten. Die Zeit bis zur Wahl seines Nachfolgers: Voraussichtlich am 15. April werden die beiden Häuser des Parlaments sowie die Vertreter der Regionen zusammentreten. Zweitens gibt Napolitano seine Wunschlösung für die neue Regierung vor: In den beiden Arbeitsgruppen sind Vertreter der gemäßigt linken PD genauso wie des Berlusconi-Lagers vertreten, dazu diverse Repräsentanten des ökonomischen und administrativen Establishments. Sie sind das Abbild der großen Koalition, von der Napolitano träumt und die PD-Chef Bersani um jeden Preis vermeiden wollte.