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Archiv-Artikel

Die hochfliegenden Pläne

STADTENTWICKLUNG Baugruppen planen Siebengeschosser in Mitte. Eine Etage zu viel, sagt das Bezirksamt. Ohne den obersten Stock werden soziale Ziele unerreichbar, sagen die Planer

„Hier kämpft nicht Gut gegen Böse. Hier kämpfen die Guten miteinander“

STEFFEN KLETTE, STADTPLANUNGSAMT

VON BERND SKISCHALLY

Die Grundstücke sind erworben, die Wohnungen verteilt, jetzt wollen die Baugruppen an der Sebastianstraße endlich Häusle bauen. Dass die Bagger nicht schon längst angerollt sind, liegt am Bebauungsplanentwurf des Bauamtes Mitte. Danach dürfen Gebäude maximal 20 Meter hoch werden. Die Gemeinschaft aus privaten Investoren will ihre gerne 1,90 Meter höher hinaus. Sonst seien ihre ökologischen und sozialen Ziele nicht zu erreichen, heißt es von Seiten der Projektleitung.

Das Bauamt steckt nun in einer Zwickmühle. Der Bebauungsplan soll eingehalten werden, gleichzeitig will man Baugruppen grundsätzlich fördern, denn bei der Polikern sind die engagierten Selbstnutzer, die sich zum Bau eines Mehrfamilienhauses zusammenschließen, seit einiger Zeit en vogue.

Drei Gebäude mit Eigentums- und Genossenschaftswohnungen planen die Gruppen auf dem ehemaligen Mauerstreifen in der Nähe des Moritzplatzes. Jedes Haus soll sieben Stockwerke plus ein Dachgeschoss umfassen – insgesamt eine Etage zu viel für den Bebauungsplan. Und eine Etage entspricht drei Wohnungen pro Haus, erklärt Baugruppenleiter Michael Stein. Fallen die weg, erhöhe sich der Preis der verbliebenen Wohnungen im Schnitt um 10.000 Euro, da die Kosten für den Grunderwerb auf weniger Schultern verteilt werden müssten. „Der Quadratmeterpreis würde sich um bis zu 100 Euro erhöhen“, moniert Birgitte Krebs. „Einige Familien und alleinerziehende Mütter können sich das dann nicht mehr leisten“. Die 63-jährige pensionierte Lehrerin aus Kreuzberg ist ihrer Baugruppe schon vor drei Jahren beigetreten. Sie will mit der Wohnung fürs Alter vorsorgen.

Der „ökologische und soziale Hintergrund“, wie sie es nennt, liegt Krebs besonders am Herzen. Die Gruppen seien bunt zusammengewürfelt. Mehr als die Hälfte der rund 140 Mitglieder sind laut Krebs Frauen, viele davon alleinerziehend beziehungsweise mit Migrationshintergrund. „Hier wollen Lehrer und Anwälte einziehen, aber auch Krankenschwestern und Menschen anderer, weniger gut betuchter Berufsgruppen“, unterstreicht Krebs. Die Altersstruktur sei ebenfalls bunt gemischt. „Statt uns zu unterstützen, versucht das Stadtbauamt offenbar wirtschaftlich-soziales und ökologisches Bauen zu verhindern“, meint Krebs.

Steffen Klette vom Stadtplanungsamt Mitte wehrt sich gegen die Vorwürfe: „Hier kämpft nicht Gut gegen Böse. Hier kämpfen die Guten miteinander.“ Er führt den Streit allein auf Kommunikationsprobleme innerhalb der Baugruppen zurück. „Der Projektleiter wusste schon, bevor konkret geplant wurde, dass wir nicht mehr als sechs Stockwerke genehmigen können.“ Außerordentlich tragisch sei es, so Klette, dass der Konflikt ausgerechnet dieses Investorenmodell betreffe: „Es ist uns grundsätzlich ein Herzensanliegen, Baugruppen zu fördern.“

Dies unterstreicht auch ein im Oktober vorgestelltes Konzept für ein neues Stadtquartier in der Luisenstadt auf der Grenze zwischen Mitte und Kreuzberg. Einvernehmlich hoben damals der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), und der Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD), hervor, dass man bei Neubauten in dem Gebiet keinen Wert auf Luxus-Appartments lege. Privaten Baugruppen solle der Vorzug gegeben werden, da diese auch Wohnungen für einkommensschwache Bevölkerungsteile zuließen, so die Politiker.

Als Kompromiss hat das Bauamt vorgeschlagen, an der Straßenseite auf eine Etage zu verzichten und dafür in zweiter Reihe ein zwei- bis dreistöckiges Gebäude mit weiteren Wohnungen zu bauen. Doch das wollen die Baugruppen nicht. „Wir wollen Freiflächen sichern und nicht kleinteilig versiegeln“, erklärt Projektleiter Stein. Die Baugruppen setzen nun auf die Bezirksverordnetenversammlung in Mitte. Das Bezirksparlament wird den umstrittenen Bebauungsplanentwurf demnächst nochmal diskutieren. Die Baugruppen hoffen, dass die Politiker den Entwurf doch noch kassieren. „Dann müssten wir die Häuser in der Sebastianstraße mit voller Höhe genehmigen“, sagt Stadtplaner Klette.