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Archiv-Artikel

Bewährungsstrafe für Volksverhetzer

NPD-Landesvize Claus Cremer bleibt wegen Volksverhetzung vorbestraft. Der Bundesgerichtshof bestätigt eine Urteil des Landgerichts Bochum. Cremer ist dennoch weiterhin politisch aktiv. Auch Neonazi Axel Reitz geht in Revision

BOCHUM taz ■ Der Vizevorsitzende der NPD in Nordrhein-Westfalen ist und bleibt ein Volksverhetzer. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat gestern das Urteil gegen den Claus Cremer für rechtskräftig erklärt. Cremer war am 18. Februar dieses Jahres vom Bochumer Landgericht wegen Volksverhetzung zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der Wattenscheider Rechtsextreme hatte Menschen jüdischen Glaubens auf einer NPD-Demo gegen den Bau einer Synagoge im Juni 2004 in Bochum bezichtigt, sexuellen Missbrauch von Kindern zu billigen. Er hatte sich dabei auf ein angebliches Zitat aus dem Talmud, dem altjüdischen Gesetzbuch, berufen. Laut Urteil wurde die entsprechende Textstelle jedoch nicht präzise wiedergegeben. „Cremer ging es darum, Juden auszugrenzen und herabzusetzen“, sagte Richter Wolfgang Mittrup damals zur Urteilsbegründung. Die Staatsanwaltschaft hatte seinerzeit 18 Monate ohne Bewährung beantragt.

„Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe im Rahmen einer öffentlichen Versammlung in Anlehnung an NS-Sprachgebrauch und -Ideologie die Juden in Deutschland als unterwertig dargestellt und so ihre Menschenwürde angegriffen, sei rechtlich zutreffend“, lautet die Begründung des BGH. Die Revision der Bochumer Staatsanwaltschaft, die sich vor allem gegen das „zu milde Strafmaß“ richtete, wurde ebenfalls abgewiesen.

Alfred Schobert, Mitarbeiter des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) kritisierte schon damals im taz-Interview das Urteil: „Die jüdischen Deutschen und Juden in Deutschland haben ein Recht auf Schutz. Durch dieses Urteil begünstigt, kann sich Cremer jetzt in der Nazi-Szene als Held feiern lassen“, sagte Schobert. Das Urteil hätte die Nazis in ihrem Übermut bestätigt. Cremer durfte danach sogar auf Platz drei der NPD-Reserveliste zur Landtagswahl am 22. Mai antreten. Ohne Erfolg: Die nationale Volksfront aus NPD und DVU blieb unter einem Prozent.

Bei der oben genannten Demo war auch der Pulheimer Neonazi Axel Reitz auffällig geworden. Das Landgericht Bochum verurteilte den selbst ernannten „Gauleiter Rheinland“ und Mitbegründer des „Kampfbundes Deutscher Sozialisten“ wegen Volksverhetzung zu einem Jahr und neun Monaten Haft. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, da die Verteidigung auch in diesem Verfahren Revision eingelegt hatte. Ein Termin für die Neuverhandlung steht noch nicht fest.

Dass Cremer weiterhin am rechten Rand aktiv ist, wurde in der vergangenen Woche deutlich. Die NPD mobilisierte gegen einen Auftritt von Israels Ex-Ministerpräsidenten Shimon Peres in Wattenscheid. „Gegen die israelische Besatzungspolitik – Solidarität mit Palästina“ lautete das Aufmarsch-Motto. Verantwortlich für den Aufruf war die NPD-Wattenscheid, deren Chef nach wie vor Claus Cremer ist. Er verzichtete allerdings im Gegensatz zu früheren Aktionen darauf, seinen Namen unter das Flugblatt zu setzen. Vielleicht lag es daran, dass nur 60 Mitglieder der Extremen Rechten dem Aufruf folgten. Auf der Demo sprachen: Axel Reitz und der „Führer“ der „Kameradschaft Dortmund“, Siegfrid „SS-Siggi“ Borchard. HOLGER PAULER