Unkalkulierbare Transparenz

GLÄSERNE BEHÖRDE Der Senat zieht eine erste Bilanz der Umsetzung des Transparenzgesetzes – jedoch noch ganz ohne Kostenschätzung

■ Fast verdoppelt hat sich seit dem Inkrafttreten des Gesetzes im Herbst 2012 die Zahl der Auskunftsersuchen an die Behörden von im Schnitt 16 Anfragen pro Monat auf nun 29.

■ Die Anfragen betrafen Bauvorhaben, den Straßenverkehr, die Verpflegung in den Gefängnissen, aber auch Vermessungsdaten für kommerzielle Zwecke.

■ Auf hamburg.de wurden unter dem Stichwort „Transparenzgesetz“ bereits wichtige Verträge zur Elbphilharmonie oder zum Rückkauf der Energienetze ins Netz gestellt.

Die Umsetzung des Transparenzgesetzes schreitet voran – wenn auch hinter den Kulissen. Bis Oktober 2014 sind die Behörden verpflichtet, tausende Akten und Verträge auf einem Online-Portal öffentlich zu machen. Doch die Umsetzung dieser Herkules-Aufgabe schafft viele Probleme, wie der erste Zwischenbericht des Senats zur Umsetzung des Projekts ausweist.

Was darf, was muss und was kann nicht öffentlich gemacht werden, lautet eine der Kernfragen, an der sich die Behördenjuristen derzeit die Zähne ausbeißen. So soll möglichst viel veröffentlicht werden, personenbezogene Daten und bestimmte Geschäftsgeheimnisse werden aber weiterhin unter Verschluss bleiben, um die Rechte der Betroffenen zu gewährleisten.

Doch standardisierte Software für die Schwärzung solch sensibler Daten muss noch entwickelt werden. Und nicht jede Veröffentlichung ergibt Sinn: So werden die Luftschadstoffe an mehreren Punkten der Stadt alle zehn Minuten gemessen. Werden aber alle Messungen ins Netz gestellt, droht Dateninflation.

Zudem löst die „Kulturveränderung“, wie Justiz-Staatsrat Ralf Kleindiek (SPD) die Umsetzung der gläsernen Aktenführung nennt, Widerstand aus. Bei den BehördenmitarbeiterInnen, die bald die von ihnen bearbeiteten Schriftsätze nach festgelegten Regeln ins Internet schaufeln müssen, macht Kleindiek immerhin „eine zunehmende Akzeptanz nach verhaltenem Start“ aus. Andere sind da reservierter. „Die Handelskammer ist nicht wirklich begeistert von dem Gesetz“, sagt der Staatsrat.

Intransparent bleiben vor allem die Kosten der Umsetzung des Transparenzgesetzes. Noch kann niemand sagen, wie personalintensiv die permanente Aktenveröffentlichung ist und welche Software-Programme dafür noch entwickelt werden müssen. So ist die federführende Justizbehörde derzeit nicht in der Lage die auf Hamburg zukommenden Ausgaben auch nur über den Daumen zu peilen. „Eine aussagekräftige Schätzung der Kosten“, heißt es in dem aktuellen Zwischenbericht des Senats, sei „zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich“.

Eine Aussage, die vor allem die CDU empört. „Zur Transparenz gehört auch eine Auskunft über die Kosten des Gesetzes. Trotz mehrfacher Ankündigungen ist der Senat nicht in der Lage, Auskunft darüber zu geben, welche Kosten durch dieses Gesetz ausgelöst werden“, sagt der justizpolitische Sprecher der CDU, André Trepoll: „Wir erwarten, dass die SPD diesen Mangel endlich beseitigt.“  MARCO CARINI