Das Ende des Symbolprotests

Protest gegen Räumung

VON KONRAD LITSCHKO

Bisher waren Zwangsräumungen eine Minutensache: rein in die Wohnung, Schloss ausgetauscht, Mieter raus. Ein tragisch kurzer Prozess für einen derart heftigen Schicksalseinschnitt.

Am Dienstag in Neukölln lief das anders. Es ist nicht zu viel vermutet, das es der Protest war, der die Gerichtsvollzieherin zwang, ihren Räumungstitel noch einmal vor Gericht prüfen zu lassen. Gewiss, am Ende half es nichts. Aber der Protest schleuderte die Räumung aus der Routine, zerrte sie für Stunden aus der Unsichtbarkeit: kein Nachbar, der nicht fragte, was nebenan los sei. Und nicht wenige, die den Demonstranten auf die Schultern klopften und über steigende Mieten klagten.

Endlich raus aus der Szene

Es war nicht die erste Räumung, die von linken Stadtkämpfern so begleitet wurde. Sie gehen damit einen längst überfälligen Schritt. Statt bloße Parolen zu schwingen, treten sie nun raus aus der Szene, rein in den Alltag der Verdrängungsverlierer. Dabei gewinnen beide Seiten: Die Geräumten finden tatkräftigen Beistand, die Linken den lange höchstens losen Anschluss an die Gesellschaftsmitte.

Und es sind nicht nur die Mieten. Neonazi-Aufmärsche werden aufgehalten, Castoren gestoppt, Flüchtlinge unterstützt. Auch bei der East Side Gallery verhinderten Protestler zumindest zwischenzeitlich den Abriss. Sie alle begnügen sich nicht mehr mit Symbolprotest, sondern stellen die großen Fragen. Wer bestimmt hier? Warum lassen wir uns sagen, was richtig ist – und was nicht? Denen, die bisher die Routinen steuerten, stehen ungemütliche Zeiten bevor.