: Die kleine Wortkunde
Afghanistans Präsident Hamid Karsai ist schon seit Langem nicht mehr gut auf den Anti-Terror-Kampf in seinem Land zu sprechen: Er selbst hat dabei wenig mitzureden und entscheidende Erfolge bei der Befriedung des Landes sind auch nicht spürbar. Der Süddeutschen Zeitung sagte Karsai unlängst, er halte die Strategie der Nato für verfehlt, und forderte von den westlichen Staaten generell mehr RESPEKT. Er wolle von der Nato, die nächstes Jahr aus Afghanistan abziehen wird, wie ein Verbündeter behandelt werden und nicht wie ein Gegenstand.
Das Wort „Respekt“ (Ehrerbietung, Achtung, Scheu) wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus dem französischen „respect“ (Hochachtung, Hinsicht, Rücksicht) entlehnt. Der Begriff ist lateinischen Ursprungs und bedeutet beispielsweise in Form des Verbs „respectare“ so viel wie: zurückschauen, sich umsehen, überdenken. Dass es der Nato an „Respekt“ mangele, ist eine milde Formulierung, Karsai hätte auch von der „Ignoranz der Besatzer“ sprechen können, deren Soldaten in Afghanistan juristisch nicht belangt werden können. Aber vielleicht geht es Karsai gar nicht um den politisch-offiziösen Respekt, den ein schwacher Staatschef vom Ausland einfordert, um den viel wichtigeren Respekt seiner Bürger zu gewinnen. Hat Karsai – vielleicht unbewusst – angesichts des baldigen Abzugs der Nato – einen Hilferuf gesandt? „Schaut euch um“, fordert er mit Hinblick auf die desolate Lage des Landes und die nach wie vor aktiven Taliban, „überdenkt eure Strategie“. Afghanistan braucht Respekt, braucht die Aufmerksamkeit des Westens. Eine Aufmerksamkeit, die sich in mehr äußert, als in einem gescheiterten Militäreinsatz. ERIK WENK