THEATER: Betrügerisches bürgerliches Idiom
Den Blick auf all die Sprachklischees und Phrasen freilegen, die zusammengenommen „des Bürgers betrügerisches Idiom“ ausmachen, hatte sich Carl Sternheim Anfang des 20. Jahrhunderts mit seinem sprachkritischen Gesellschaftssatiren-Zyklus „Aus dem bürgerlichen Heldenleben“ vorgenommen. Schon das erste Stück des Zyklus, „Die Hose“, löste 1911 wegen seines beißenden Spotts gegen das deutsche Spießbürgertum einen veritablen Skandal aus und wurde zeitweilig verboten und auch der dritte Teil der Trilogie um den komisch verzweifelten Aufstieg der kleinbürgerlichen Familie Maske zu Großfinanz und Aristokratie wurde von den Berliner Zensurbehörden zunächst nicht freigegeben. Mit einem Skandal beginnt auch die Trilogie, die nun im Kontext des Projektes „1913 – Braunschweig zwischen Monarchie und Moderne“ in einer Inszenierung von Nicolai Sykosch am Staatstheater Braunschweig zu sehen ist: Ehefrau Luise verrutscht beim Spaziergang die Unterhose, der vermeintliche Skandal jedoch saniert die Familie schließlich finanziell. Aber je höher die Maskes steigen, desto näher kommen Krise und Krieg. MATT
■ Braunschweig: Sa, 6. 4., 19 Uhr, Staatstheater, Am Theater; weitere Termine: 13. 4., 20. 4., 27. 4., 10. 5., 16. 5. und 31. 5., je 19 Uhr
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