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LARS PENNING
Eigentlich fand ich die Geschichte von „Ninotschka“, jener braven Sowjetfunktionärin, die samt ihrer Entourage alsbald den verschiedenen Verlockungen des kapitalistischen Westens erliegt, mit ihren einigermaßen abgestandenen Antikommunistenwitzen, immer etwas öde. Das Musical-Remake „Silk Stockings“ (1957) ist allerdings eine Klasse für sich: Regisseur Rouben Mamoulian erwies sich in seinen – vergleichsweise wenigen – Arbeiten für das Kino stets als innovativer Inszenierungskünstler, die Musik von Cole Porter, nach dessen Bühnen-Musical der Film entstand, ist schmissig – und an wessen langen Beinen hätten die titelgebenden Seidenstrümpfe schon besser aussehen können als an jenen der Ballerina Cyd Charisse? Auch wenn Hildegard Knef, die diese Rolle am Broadway gespielt hatte, damit leer ausging. Verführung zum Kapitalismus durch Seidenstrümpfe, das hat, gespielt von einer Tänzerin, wenigstens Stil. Überhaupt befand sich das Filmmusical in jenen Jahren, kurz bevor mit dem Ende des Studiosystems auch das Ende des klassischen Genres eingeläutet wurde, im künstlerischen Höhenflug und war auch durchaus in der Lage, sich selbst ein wenig auf die Schippe zu nehmen: In einer Musiknummer des Film machen sich Fred Astaire und Janis Paige über CinemaScope, Farbe und „stereophonic sound“ lustig – natürlich in Scope, Farbe und mit „stereophonic sound“. (Om span. U) 4. 4., 10. 4. Arsenal)
Fleischeslust, -frust und Amour Fou: In Pedro Almodóvars Melodram „Live Flesh – Mit Haut und Haar“ (1998) geht es drunter und drüber. Victor, als Sohn einer Prostituierten im Bus zur Welt gekommen, ist ein geborener Verlierer, ein unsympathischer Trottel, der von einer Katastrophe in die nächste schlittert. Der Polizist David hingegen ist immer ein Held, den selbst eine Querschnittslähmung nicht stoppen kann: Dann wird er eben der Star der spanischen Basketballnationalmannschaft bei den Paralympics. Vor allem aber heiratet er die von Victor angehimmelte Elena. Die verwickelte, in ihrer Absurdität immer knapp unter der Lachschwelle angesiedelte Geschichte wird sich mehrfach drehen und wenden – und dabei auch den Charakteren immer neue Facetten abgewinnen. (OmU) 7. 4. Brotfabrik-Kino)
Kaum weniger verirrend ist Fritz Langs letzte, in Deutschland entstandene Regiearbeit: Im Krimi „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ (1969) ist niemand, wer er vorgibt zu sein. Obwohl ein größenwahnsinniger Verbrecher hier die avancierte Überwachungstechnik eines Hotels lediglich für egoistische Zwecke ausnutzt, stellt Lang doch auch eine gedankliche Verbindung mit der Nazi-Ära her und macht damit mehr als deutlich, wie wenig er von derartigen Spionagemachenschaften hält. (8. 4. Bundesplatz-Kino)