: Streiten mit Günter Netzer
Wenn Spiele der Fußball-WM öffentlich gezeigt werden, wollen die Rechteverwerter der Schweizer Firma Infront kräftig mitkassieren. Die Abgabepflicht ist in vielen Fällen rechtlich fragwürdig
von Marco Carini
Nichts ist umsonst. Wenn im kommenden Sommer in Kneipen und Kirchen, Kaufhäusern und Kinos WM-Fußball auf Mattscheiben und Leinwänden flimmert, halten die Schweizer Rechteverwerter der Firma „Infront Sports & Media AG“ gehörig die Hand auf. Das Unternehmen, in dem Ex-Europameister Günter Netzer als geschäftsführender Gesellschafter fungiert, erhebt für jede kommerzielle „Public-Viewing-Veranstaltung“ eine saftige Lizenzgebühr. Doch die Abgabepflicht ist in vielen Fällen rechtlich fragwürdig.
Nach den vom internationalen Fußballverband Fifa abgesegneten Richtlinien ist jede öffentliche Präsentation der WM-Spiele genehmigungspflichtig. Das gilt im Prinzip selbst für jeden Fernseher, auf dem im Verkaufsraum eines Kaufhauses oder auf dem Ecktisch einer Kneipe die WM-Spiele laufen. Doch mit der Genehmigung allein ist es nicht getan. Schätzt die Infront den öffentlichen Fernsehabend als „kommerzielle Vorstellung“ ein, will sie Geld sehen.
Dabei fällt jede Veranstaltung, für die Eintritt erhoben wird, selbstredend unter die Kategorie „kommerziell“. Doch auch bei eintrittsfreien WM-Events, die über Sponsoren oder erhöhte Preise für Speis und Trank finanziert werden, will Infront kräftig mitkassieren. 400 derartige Lizenzverträge für deutsche „Public-Viewing-Veranstaltungen“ hat Infront nach eigenen Angaben bereits abgeschlossen.
Selbst private Firmen-Vorführungen für Mitarbeiter und Kunden gelten der Schweizer Agentur als kommerziell und damit gebührenpflichtig. Dass dies rechtens ist, bezweifeln viele Juristen. So baut die Infront nach Auffassung des Hamburger Rechtsanwalts Mirko Wittneben eine gewaltige „Drohkulisse“ auf, um die Veranstalter öffentlicher WM-Fernsehevents zu verunsichern und zur Zahlung von möglicherweise ungerechtfertigten Lizenzgebühren zu nötigen.
„Wer keinen Eintritt erhebt oder erhöhte Verzehrpreise verlangt, muss seine Veranstaltung nicht einmal anmelden“, glaubt Wittneben. Dies gilt nach Auffassung des Mitarbeiters der renommierten, international tätigen Kanzlei „Heuking Kühn Luer Wojtek“ selbst dann, „wenn ein Sponsor für die Finanzierung sorgt“.
Zudem beklagt der Jurist das Geschäftsgebaren der Infront. Denn wer seine TV-Veranstaltung dort anmeldet, muss erst einen Lizenzvertrag unterschreiben, bevor er überhaupt über die Gebühren informiert wird, die nach Auffassung der Infront anfallen. Diese aber gehören nach Einschätzung Wittnebens zu den allgemeinen Geschäftsbedingungen und müssten deshalb vor Vertragsabschluss offen gelegt werden.
Und die Lizenzgebühren haben es in sich: So verlangt die Infront für die Bespielung einer während der WM aufgebauten Großbildleinwand im Bergedorfer Schlosspark nicht weniger als 10.000 Euro. Dazu kommen noch einmal Abgaben an die GEMA und die GEZ von insgesamt 6.600 Euro.
Wer also eine öffentliche Ausstrahlung der WM-Spiele plant, sollte sich im Zweifelsfall rechtlichen Rat einholen. Denn möglicherweise kann es sinnvoll sein, so Wittleben, die „Veranstaltung ohne Anmeldung durchzuführen und sich gegebenenfalls mit Infront zu streiten“. Ob es überhaupt so weit kommt, ist fraglich. Denn dass der Schweizer Vermarktungsgigant nur einen Bruchteil aller weltweit öffentlich zugänglichen Veranstaltungen kontrollieren kann, auf denen WM-Fußball von der Mattscheibe oder auf der Leinwand flimmert, gilt als so gut wie ausgeschlossen.
Bleibt denen, die schon Lizenzverträge mit der Infront abgeschlossen haben oder sich gezwungen sehen, dies noch zu tun, der Trost, für eine gute Sache geblutet zu haben. Das Geld, das die in Zug beheimateten Rechteverwerter durch die Vergabe von „Public-Viewing-Lizenzen“ in Deutschland einnehmen, bleibt angeblich nicht in ihren eigenen Taschen. Es soll nach Ankündigung von Netzer vollständig den „SOS-Kinderdörfern“ zufließen.