: „Grausames Klima“ statt Vertrauen
Städtepartnerschaften sind eine sensible Angelegenheit. Doch Bremens auswärtige Kulturaktivitäten seien zutiefst blamabel, klagen unter anderem die Bremer SchriftstellerInnen: In Danzig beispielsweise sei schon mehr als Porzellan zerschlagen worden
Bremen taz ■ Bremens auswärtige Kulturpolitik ist harter Kritik ausgesetzt. Eine Gruppe bekannter SchriftstellerInnen und Wissenschaftler wie Inge Buck und Wolfgang Schlott von der Bremer Universität haben sich in einem offenen Brief an den Senat gewandt, um ihrer Empörung über „unhaltbare Zustände“ Ausdruck zu verleihen. Der schon lange schwelende Ärger entzündet sich an den Vorgängen um einen Kooperationsvertrag zwischen dem Verband Deutscher Schriftsteller (Niedersachsen/Bremen) und seinem polnischen Pendant, der vor wenigen Wochen in Danzig unterzeichnet werden sollte.
Insbesondere der in der Kulturbehörde für internationalen Austausch zuständige Mitarbeiter S. habe durch sein blamables Agieren die polnische Seite düpiert, Staatsrätin Elisabeth Motschmann selbst sei ohne Absage in Bremen geblieben. Ihren (privat) mitgereisten Gatten, Pastor Jens Motschmann, habe S. dafür in extenso präsentiert, Inhaltliches hingegen torpediert – statt des Vertrages entstand schließlich nur ein „Letter of Intent“. In dieser Konstellation sei Bremens Kulturaustausch „kontraproduktiv“ und rufschädigend.
Das Interessante an dieser Kritik: Sie scheint eher Regel- denn Einzelfall zu sein. Auch die offiziellen Akte des Danzig-Bremer Autorenaustausches im vergangenen Jahr seien in derart „peinlicher Form“ abgelaufen, dass die polnischen Kollegen den weiteren Kontakt mit S. verweigert hätten. Wen man auch fragt, ob bildende Künstler oder Theatermacher: Bei der Erwähnung des offiziell Zuständigen schlagen fast alle entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen. Uli Fuchs vom früheren Kulturhauptstadt-Büro nennt S. eine „für Bremen blamable und bis auf die Knochen beschämende Reisebegleitung“.
Was reagiert das Ressort – wo S. seit Jahren tätig ist? Senator Jörg Kastendiek (CDU) seien diese Vorwürfe bisher unbekannt gewesen, erklärt dessen Sprecher, er messe ihnen jedoch „hohe Bedeutung“ zu. Noch in der kommenden Wochen würden die Vorgänge definitiv geklärt.
S. selbst beabsichtigt, Anzeige wegen Verleumdung zu erstatten – sämtliche Vorwürfe seien „aus der Luft gegriffen“. S.: „In Bremen gibt es leider sehr viele Neider.“ In der Tat gebrauchen die Kritiker gerne Vokabeln wie „korruptes Königreich“, in dem S. mit Billigung der Amtsleitung schalten und walten könne – überall dort, wo Bremen offizielle Kulturkontakte unterhalte.
Mitte der neunziger Jahre leitete S. das Bremer „Hansekontor“ in der Partnerstadt Riga. Eine Zeit, über die langjährige Beobachter wie Albert Caspari vom Verein „Infobalt“ sagen: „Danach war der absolute Nullpunkt in den Beziehungen zwischen Bremen und Riga erreicht.“ Von einem „grausamem Klima“ sprechen auch aktuell in Riga aktive Bremer Kulturschaffende, die lettische Seite sei „völlig frustriert“ vom offiziellen Bremer Gebaren. Für Befremden sorgte zum Beispiel die Reaktion auf finanzielle Sorgen der lettischen „Artists Union“: Wenn diese ihren zentralen Sitz verkaufen wolle, soll S. bei einem offiziellen Treffen vor drei Monaten erklärt haben, vermittle er gern einen geeigneten Interessenten – einen auf Hotels spezialisierten Bremer Unternehmer.
Das strukturelle Problem, das sich an Amtsträger S. festmacht: Man kann nicht mit, darf aber auch nicht ohne ihn. S. soll die Rigaer Kulturbehördenvertreter ultimativ aufgefordert haben, ausschließlich mit ihm zu verhandeln. Birgid Hanke, Mit-Initiatorin des Briefes, sagt resigniert: „Unsere Beschwerden wurden immer wieder ignoriert.“ Wenn auch der jetzige Protest nicht helfe, wolle man – ultima ratio – eine Petition an die Bürgerschaft richten. Henning Bleyl