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Archiv-Artikel

Berliner Wedler streben auf die schiefe Bahn

Bislang haben Skibegeisterte im Berliner Flachland kaum Möglichkeiten, ihren Lieblingssport auszuüben. Mehrere Hallenpisten-Projekte sind in der Vergangenheit gescheitert. Jetzt soll eine 250-Meter-Abfahrt in Adlershof entstehen

Für die im Berliner Skiverband organisierten Wedler ist der 16. Februar 2006 ein wichtiger Termin: Dann finden die Berliner Meisterschaften statt. Dazu müssen sich die Sportler ins Thüringische Steinach aufmachen. In Berlin gibt es derzeit keine Abfahrtspisten. Das soll sich in absehbarer Zeit ändern. Wieder einmal wird in der Hauptstadt ein großes Skihallenprojekt ausgebrütet. Nachdem ehrgeizige Pläne zum Bau einer Indoor-Skiarena an den Standorten Neukölln und Mariendorf gescheitert sind, soll nun in Adlershof eine Hallenpiste errichtet werden.

An dem Projekt beteiligt sind die Betreiber von „Snowtropolis“, einer Skihalle in Senftenberg, die vor zwei Jahren eröffnet hat. Mit einer Pistenlänge von 130 Metern ist sie allerdings winzig im Vergleich zu dem, was die Projektentwickler für die Hauptstadt vorgesehen haben. Die Piste in Adlershof soll doppelt so lang sein wie die in der Lausitz. Ein dreigeschossiger Gastronomiebereich im alpenländischen Hüttenstil mit eigener Gasthausbrauerei gehört ebenso zum Erlebniskonzept wie ein Shoppingareal vor allem für Wintersportartikel. Im Sommer sollen die Gäste ihre Erfrischungsgetränke in einem riesigen Biergarten zu sich nehmen können – am Ufer eines künstlichen Weihers. Besonderer Gag des Schneetempels sollen Snowboard-Waterramps werden, kleine Sprungschanzen, von denen mutige Boarder ins Wasser hüpfen können. Koordiniert werden die Planungen von der Adlershof Projekt GmbH, die für die Erschließung des Areals im Südosten der Hauptstadt zuständig ist. Geschäftsführer Gerhard W. Steindorf schwärmt: „Von diesem Projekt profitiert die ganze Region.“

Der Berliner Skiverband schätzt, dass es etwa 400.000 Skifahrer und Snowboarder in Berlin gibt. Für die gibt es außer der Halle in Senftenberg so gut wie keine Angebote in der näheren Umgebung. Wer Skifahren lernen will oder vor dem Urlaub in den Bergen testen will, ob er noch sicher auf den Brettern steht, findet in Berlin zumindest eine Übungshalle. „Gletscher“ nennt sich ein ehemaliges Fabrikgebäude in Pankow seit dem Einbau einer Skitrainingsanlage. Auf schmalen Teppichmatten, die sich gegen die Fahrtrichtung bewegen und deren Neigungswinkel frei einstellbar ist, lässt sich zwar bestens trainieren, so richtige Pistengaudi mag jedoch nicht aufkommen. Die wird wohl erst die neue Halle bieten, vorausgesetzt, es finden sich genug Investoren für das Projekt.

Neu ist die Idee einer Skihalle für die Berliner Flachländler übrigens nicht. In den 1930er-Jahren ließ sich ein gewisser Heinz Ermel bewässerte Bürstenmatten als Belag für künstliche Pisten patentieren. In einer Lagerhalle in der Charlottenburger Franklinstraße installierte er einen künstlichen Hang. Skifahren war bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs in Berlin schon einmal ein Ganzjahresvergnügen.

ANDREAS RÜTTENAUER