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Archiv-Artikel

Kunstschnee und Rodel gut

Schlittenspaß am Sony Center, Pirouetten auf dem Bebelplatz: Selbst bei Plusgraden treiben die Berliner Wintersport. Wenn’s der Werbung für ferne Skiparadiese dient, auch schon mal kostenlos

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Alpenländische Volksmusik, Hüttenzauber, kreischende Kinder auf der Rodelbahn: Es ist Winter auf dem Potsdamer Platz. Naturburschen in riesigen Daunenanoraks hantieren am Nachwuchs der Besucher herum und verfrachten ihn in ein Drehgestell namens „Skikarussell“. Auf der benachbarten Eislaufbahn drehen rotwangige Menschen mit seligem Blick ihre Runden. Der Potsdamer Platz ist dieser Tage das Zentrum des Wintersportortes Berlin.

Blickfang der künstlichen Winterlandschaft im chronisch schneearmen Berlin ist die Rodelbahn. Auf dem künstlichen Hang, einem monströsen Stahlgestell von 12 Meter Höhe und 70 Meter Länge, rasen Kinder und Erwachsene auf luftgefüllten Reifen bergab. Schon im vergangenen Jahr stand die riesige Rampe am Fuß der Hochhäuser.

Links und rechts der Bahn wehen blaue Fahnen im Wind. Ihr Aufdruck verkündet, auf welches „kleine Paradies“ dies ein Vorgeschmack ist: das Salzburger Land. Der Tourismusverband des österreichischen Bundeslandes nutzt den deutschen Großstadtwinter für eine gigantische Marketingaktion. 100 Tonnen Schnee wurden aus dem Salzburger Land herangekarrt und auf die Rampe aufgebracht. „Es sollte schließlich deutlich werden, dass die Leute auf Originalschnee aus den Bergen rodeln“, meint Nina Genböck von der Salzburger Land Tourismus Gesellschaft. Eine Schneekanone, die bei Bedarf täglich bis zu 14 Tonnen frischer Kristalle produzieren kann, steht neben der Bahn bereit. Die „Stiegl-Alm“ und die „Schmankerl-Hütt’n“ sind aus uralten Balken echten alpenländischen Holzes angefertigt worden und sollen dafür sorgen, „dass sich die Berliner mitten in der Großstadt schon ein bisschen wie im Urlaub fühlen“, so Genböck.

Dass sich der „irrsinnige Aufwand“ lohnt, daran gibt es für Genböck keinen Zweifel. Schon im vergangenen Jahr hatte sich das Land Salzburg auf dem Potsdamer Platz präsentiert. In der Folgesaison sind die Buchungen aus Berlin um 7 Prozent angestiegen. Seit es eine direkte Flugverbindung von Tegel nach Salzburg gibt, sei die Mozartstadt näher an Berlin gerückt. Jetzt wollen die Salzburger so viele Berliner wie möglich in die Wintersportorte locken. Auch in den nächsten zwei Jahren werden die Österreicher eine Menge in den Berliner Winter investieren.

Das wird auch die Interessengemeinschaft Potsdamer Platz freuen. Die Winterlandschaft lockt jede Menge Menschen an. Bereits zur Halbzeit registrierten die Veranstalter der Winterwelt, die noch bis zum 8. Januar aufgebaut bleibt, 1 Million Besucher. 20.000 Rodler wurden gezählt, 14.000 Menschen waren auf der Eislaufbahn unterwegs. Auf der 520 Quadratmeter großen Fläche darf man umsonst Schlittschuh fahren.

Auch auf dem Bebelplatz, zwischen Staatsoper und Humboldt-Universität, wurde eine mobile Kunsteisbahn errichtet. Hier steht ebenfalls ein potenter Sponsor hinter dem künstlichen Winter: Der Mobilfunknetzbetreiber Vodafone veranstaltet Unter den Linden „Berlin on Ice“. Die Stunde Eislaufen kostet allerdings 3 Euro. Der Erlös aus den Eintrittsgeldern kommt dem Verein Off Road Kids zugute, einer Organisation, die sich um Straßenkinder in deutschen Großstädten kümmert.

Berlins Wintersportart Nummer eins, das Eislaufen, kann aber auch auf den klassischen Schlittschuhbahnen betrieben werden. Der Eintritt in die Eisstadien kostet für gewöhnlich 3 bis 4 Euro. Auf Hüttenzauber und Weihnachtskitsch in Rot-Weiß muss allerdings verzichten, wer beispielsweise im Weddinger Erika-Heß-Stadion seine Kreise zieht.