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Archiv-Artikel

Wo ist denn Großvater? Sehr bald im Himmel

HAUPTSTADT Weil der Flughafen BER in Schönefeld partout nicht abheben will, sollen es die alten Nasen richten. Ein Vorbild für andere Problembaustellen?

Könnte Edzard Reuter vielleicht bei Stuttgart 21 einspringen oder Helmut Schmidt bei der Elbphilharmonie?

VON UWE RADA

Kennen Sie Hartmut Mehdorn, Meinhard von Gerkan oder Hany Azer? Alles alte Hasen sind das. Mehdorn war mal Bahnchef und hat als solcher den Hauptbahnhof pünktlich zum Sommermärchen 2006 an den Start gebracht. Meinhard von Gerkan ist ein sogenannter Stararchitekt und baute zuletzt, auch pünktlich, das Nationalstadion in Warschau. Hany Azer schließlich war Chefingenieur beim Berliner Hauptbahnhof und hat auch am Potsdamer Platz mächtig mitgebuddelt. Ein Mann der Praxis. Und der Pünktlichkeit.

Nein, das hier ist kein Werbetext für die Plakatkampagnge „Demografische Chance“ des Bundesbildungsministeriums. „Ältere auf dem Arbeitsmarkt“, heißt es auf einem der Plakate, seien nicht „unvermittelbar“, sondern „unverzichtbar“. Zu diesen Älteren gehört auch das Berliner Trio. Mehdorn, Gerkan und Azer bringen es zusammen auf über 100 Jahre Berufserfahrung.

Tiefe Verzweiflung

Allerdings stehen sie nicht auf der Honorarliste des Ministeriums. Ihre Berufung ist eher ein Hinweis auf die Verzweiflung, die in der Hauptstadt herrscht. Denn der Großflughafen BER in Berlin-Schönefeld ist noch immer am Boden. Was Mehdorn, Gerkan und Azer damit zu tun haben? Die Oldies haben die die Mission Impossible übernommen, Deutschlands teuerste Bauruine doch noch wachzuküssen.

Das ist insofern bemerkenswert, als die drei Herren nicht nur Erfolge auf ihrem Konto haben, sondern auch bemerkenswerte Pleiten. Mehdorn etwa kam als Air-Berlin-Chef nicht aus den roten Zahlen raus. Azer kappte, um den Hauptbahnhof fertigzurocken, kurzerhand das Dach. Und Gerkan war als Bauleiter selbst schuld am BER-Debakel. Nachdem die Eröffnung am 3. Mai 2012 verschoben wurde, wurden seine Leute vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, damals noch Aufsichtsratschef, vom Hof gejagt.

Dass sie nun zurückgeholt und mit Azer den Retter geben, geht auf die Kappe von Mehdorn. Der 70-Jährige, der beim Hauptbahnhof noch mit von Gerkan im Clinch lag, weil der als Architekt natürlich sein Dach nicht verstümmelt sehen wollte, wurde im März neuer Flughafenchef in Berlin. Geholt hat ihn Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck, der Wowereit zu Jahresbeginn als Aufsichtsratschef abgelöst hat.

Und weil Mehdorn nicht nur eine große Klappe pflegt, sondern auch professionellen Pragmatismus, ist er der Überzeugung, dass ein Bauleiter, der Mist baut, immer noch besser ist als ein Bauleiter, der den Bau nicht kennt. Nun bekommt von Gerkan also seine zweite Chance. Ob es klappt? Manche sagen, das sei etwa ebenso wahrscheinlich, wie dass Hertha Berlin Meister in der ersten Fußballbundesliga wird. Sicher ist jetzt schon, dass ganz Deutschland auf dieses Experiment schaut. Die grauen Baustellenpanther retten Berlin. Könnte das Schule machen? Könnte Edzard Reuter vielleicht bei Stuttgart 21 einspringen oder Helmut Schmidt bei der Elbphilharmonie?

Große Hoffnung

Die Last, die auf den alten Schultern liegt, ist enorm. Scheitern sie, können Deutschlands Senioren die Koffer packen. Ins Exil nach Florida oder Malle müssten sie natürlich von Tegel oder Schönefeld-Alt fliegen.

Haben sie Erfolg, stehen unsere Großmütter, unsere Großväter vor einem zweiten Frühling. Selbst Klaus Wowereit, bald 60, der Loser von Schönefeld, könnte dann noch eine zweite Chance bekommen. In Katar wird demnächst wohl der Posten des Flughafenchefs frei. Auch am Persischen Golf war der Start des Megaairports kurzfristig verschoben worden. Der Himmel ist nah.