: Fast wie in Zeiten des Krieges
DER MORDFALL BURAK B.
Von dem Mörder des nachts auf offener Straße erschossenen jungen Berliners Burak B. gibt es bis heute keine Spur. Am Mittwoch besuchte Innensenator Frank Henkel (CDU) die Familie des vor einem Jahr getöteten 22-Jährigen türkischer Abstammung. Eine Initiative macht den Ermittlungsbehörden Vorwürfe: Es sei nicht auszuschließen, dass die NSU-Morde Vorbild der Tat waren, so ihre These. Schließlich sei der Neuköllner Süden bekannt für gewaltbereite Neonazis und Angriffe Rechtsextremer.
Es ist nicht nur dieser Gedanke, der dem Auftritt von Senator Henkel in der biederen Kulisse der idyllischen Gartenstadt, in der Familie B. lebt und von der nur wenige hundert Meter entfernt die Tat geschah, einen gruseligen Beigeschmack gab. Lebt der Mörder in der Nachbarschaft? Ist mit weiteren Taten zu rechnen? Die Jugendlichen in der Gegend seien „beunruhigt“, sagt Helga Seyb von der Opferberatungsstelle ReachOut, die zu der „Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak B.“ gehört.
Es war auch ein Satz des Senators selbst, der schaudern machte. Denn er klang – ja, er klang wie aus Kriegszeiten: „Wir haben letztes Jahr viele Berliner verloren“, sagte er. „Verloren durch Gewalt.“
Es war gut, dass Henkel vor der Tür der um ihren Sohn trauernden Familie auch an die anderen getöteten Söhne erinnerte: an Jonny K., der im Oktober auf dem Alexanderplatz totgeschlagen wurde, an Yousef, erstochen im März 2012, an Giuseppe, in den Tod gehetzt auf dem Kaiserdamm. Lauter junge Männer, die, wie Henkel über Burak B. sagte, die Stadt gebraucht hätte.
Die Täter: Männer mit und ohne Migrationshintergrund. Das entlastet die Polizei nicht davon, auch im rechtsextremen Sumpf nach dem Täter zu suchen. Glücklicherweise herrscht kein Krieg. Wie sehr aber in dieser Stadt Gewalt Alltag ist, ist tatsächlich erschreckend. Innensenatoren neigen zu drastischer Rhetorik. In diesem Fall aber hat Henkel damit recht. ALKE WIERTH