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Archiv-Artikel

Wenn das Bündnis wieder ruft

ZWANGSRÄUMUNG VERZÖGERT

Inzwischen ist das Bündnis mehr als ein klingender Name: Es ist Institution, Symbol und Schreckgespenst

Es waren vier Tage, die bis zur Räumung blieben, als beim Bündnis die Mail von Familie Kulasingams einging. Das reichte noch für eine SMS-Kette: Gut 70 Blockierer saßen am Dienstag vor der Haustür der Neuköllner, als die Gerichtsvollzieherin eintraf. Die räumte trotzdem – mit fünfstündiger Verzögerung und großem Polizeiaufgebot.

„Zwangsräumung verhindern“ nennt sich das Bündnis, das die Blockade organisierte. Der Name ist Programm: Auch bei der Räumung der Familie Gülbol in Kreuzberg rief es zum Protest, bei einer Rentnerin in Reinickendorf, beim arbeitssuchenden Sascha in Neukölln. Inzwischen ist das Bündnis mehr als ein klingender Name: Es ist Institution, Symbol und Schreckgespenst.

Es war im letzten Mai, als sich das Bündnis erstmals für eine Mieterin einsetzte, die nach sieben Jahren aus ihrer Wohnung sollte. Ein Jahr später hat die Gruppe die Mietendebatte dieser Stadt erfolgreich auf die untersten der Verdrängungskette gerichtet. Und ihr den bisher radikalsten Spin gegeben: Ab welcher sozialer Härte hört der Respekt vorm Eigentum auf? Und warum nur protestieren – wenn man Räumungen doch auch wirklich verhindern kann?

Die Fundamentalkritik verfängt. Rund 500 Leute erreiche man inzwischen mit dem SMS-Verteiler, heißt es aus dem Bündnis. Darunter Landespolitiker, Künstler und Sportvereine. Trifft sich das Bündnis heute, kommen bis zu 50 Leute zusammen. Dann sitzen langjährige Mietenprotestler neben Familienvater Gülbol oder Rentnerinnen.

Allein nach der jüngsten Blockade, so berichtet die Runde, hätten sich vier neue räumungsbedrohte Mieter gemeldet. Ein Dutzend Fälle betreue man aktuell. Dann werden Mietverträge und Gerichtsurteil durchgesehen. Oberstes Ziel sei stets, die Leute in ihren Wohnungen zu halten, so die Gruppe. Erst am Ende stehe die Blockade.

Die aber ist wichtigstes Instrument des Bündnisses – schafft doch erst der Großeinsatz den Skandal. Und der die öffentliche Debatte. Denn klar ist auch: Bei rund 5.000 Räumungen pro Jahr in Berlin wird die Inanspruchnahme des Bündnisses zur absehbaren Überforderung.

Schon am Dienstag ist es wieder soweit. Dann hat sich der Gerichtsvollzieher bei der Reinickendorferin Rosemarie angekündigt und will die kürzlich im letzten Moment abgesagte Zwangsräumung nachholen. Nicht ohne das Bündnis. Konrad Litschko