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Archiv-Artikel

MATTHIAS STÜHRWOLDT GRÜNLAND Telekomt nicht

Bagger rammt Kabel. Telefonanschluss tot. Und dann: Computerstimmen. Bitte warten. Eine Abschiedskolumne

Um ein Haar hätte ich nicht mitgekriegt, dass dies meine letzte Kolumne für die taz ist. Und das kommt so:

Unser Hof liegt direkt an der Autobahn, so direkt, dass in der Baugenehmigung unseres Wintergartens der folgende schöne Satz zu lesen war: „Das Bauwerk ist so zu gestalten, dass es von der A 21 aus nicht für ein Verkehrsschild gehalten werden kann.“ Im Zuge des Weiterbaus der Autobahn Richtung Kiel bekommen wir jetzt, nach 41 Jahren des Blickkontakts mit vorbeirasenden Fahrzeugführern, einen Lärm- und Sichtschutzwall. Bei Rodungsarbeiten für diesen Wall hat ein Bagger unser Telefonkabel gekappt, das unter der Autobahn hindurch ins Dorf führt.

Der Anschluss war plötzlich tot. Ich sah aus dem Fenster den Bagger – und wusste, was los war. Mit dem Handy rief ich die Störungsnummer der Telekom an: Das erste Mal seit Langem, dass ich mit deren Computersystem telefonieren durfte. Ich hatte fast vergessen, wie schön das ist.

Irgendwann sprach ich tatsächlich mit einem Menschen. Ich lieferte die Diagnose gleich mit. Da könne ja jeder kommen und erzählen, was das für eine Störung sei, meinte der Mensch, da müsse am nächsten Tag erst mal ein Techniker kommen. Der kam, um die Leitung durchzumessen, bestätigte meine Diagnose und sagte: „Ich bin kein Tiefbautrupp.“ „Das seh ich“, antwortete ich. „Aber ich sag dem Tiefbautrupp Bescheid“, sagte er. „Das ist nett“, gab ich zurück.

Am Abend kamen noch zwei Leute vom Tiefbautrupp, guckten einmal und sagten: „Für die Reparatur brauchen wir eine schriftliche Genehmigung des Straßenbauamtes, hier an der Autobahn eine Baustelle einzurichten. Das kann dauern.“

Zu Hause wurde langsam die Laune schlecht. Fünf Kinder zwischen elf und neunzehn ohne Internet – man könnte meinen, eine solche Situation brächte Familien zusammen. Das Gegenteil war der Fall. Alle zwei Tage rief ich die Störungsnummer an. Das Computermenü konnte ich bald mitsprechen. Die entscheidende Stelle: „Unser System führt jetzt eine Voruntersuchung durch. Das kann einige Sekunden dauern.“ Dann meine Lieblingsstelle. Der Computer, von sich selbst darüber informiert, dass schon ein Techniker bei mir war, sagt: „Ein Spezialist kümmert sich bereits um Ihre Störung. Er wird Sie informieren, sobald die Störung behoben ist. Wollen Sie trotzdem noch mit einem unserer Mitarbeiter sprechen?“ An dem Punkt ist jeder bereit, zu brüllen oder zu töten.

Die Callcentermenschen taten mir fast leid, aber ich dachte auch, dass sie dafür ausgebildet sind, sich von mir anbrüllen zu lassen. Sie wurden dafür bezahlt. Trotzdem immer dieselbe Aussage: „Die Genehmigung zur Errichtung der Baustelle an der Autobahn liegt noch nicht vor.“

Nach über zwei Wochen rief ich beim Straßenbauamt an. Die erzählten mir, die Genehmigung sei längst erteilt. Ich wählte die Nummer der Telekom. „Wollen Sie trotzdem noch?“ „JAA, WILL ICH!“ „Die Genehmigung ist noch nicht erteilt.“ „Dann guckt noch mal in eurem Postkasten nach, ihr Blindfische!“

Eine halbe Stunde später rief mich einer vom Tiefbautrupp an: „Äh, die Genehmigung ist gerade eben erteilt worden. Wir kommen morgen und machen ihren Anschluss heil.“ Ich glaubte ihm kein Wort. Aber sie kamen und hielten Wort. Ich fuhr den Computer hoch. 773 ungelesene E-Mails. Eine davon von der taz. „Am 6. April erscheint deine letzte Kolumne.“ Tja, das war sie. Und tschüss!

Der Autor ist Biobauer in Schleswig-Holstein Foto: privat