: Stille Freude in Berlin
VON LUKAS WALLRAFF
Die Freilassung von Susanne Osthoff nach dreiwöchiger Geiselhaft im Irak ist für die Bundesregierung ein Erfolg. Selbst von der Opposition gab es Lob. „Die Bundesregierung hat mit Umsicht und großem Geschick gehandelt“, erklärte FDP-Chef Guido Westerwelle. Doch bei aller Freude darüber, dass die Archäologin am Sonntag offenbar unversehrt in die Obhut der deutschen Botschaft in Bagdad übergeben wurde, hat die Regierung auch ein Problem: Das Informationsbedürfnis der Medien zu stillen ist schwierig.
Wer hat Osthoff entführt? Wer hat mit den Geiselnehmern verhandelt? Warum wurden die 43-Jährige und ihr irakischer Fahrer schließlich freigelassen? Wurden politische Forderungen erfüllt, oder wurde Lösegeld gezahlt? Zu all diesen Fragen gaben weder Außenminister Frank-Walter Steinmeier noch andere Regierungsvertreter Auskunft. Damit blieben sie ihrer Linie treu, die sie seit Osthoffs Geiselnahme konsequent verfolgten: Keine Angaben zum Ablauf der Entführung – um die Betroffene zu schützen und um möglichen Nachahmungstätern keine Tipps zu geben.
Geld ist offiziell kein Thema. „Für uns stehen die Kosten nicht im Vordergrund“, erklärte Steinmeiers Sprecher und fügte hinzu: „Kosten, die nachweisbar belegt sind, sind bisher nicht angefallen.“ Die Regierung werde Osthoff auch nichts für die geleistete Hilfe in Rechnung stellen, betonte er – allenfalls Flugkosten. Bisher sei aber kein Flug für sie bezahlt worden.
So beharrlich wurde in Berlin über die näheren Umstände geschwiegen, dass Journalisten gestern bereits in Zweifel zogen, dass die Regierung überhaupt an den Verhandlungen mit den Entführern beteiligt war. Diese Vermutung jedoch wies Steinmeiers Sprecher zurück: „Sowohl die Bundesregierung als auch die deutsche Botschaft hatten etwas mit der Freilassung zu tun.“ Nur was? Wenn es nach Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) geht, sollen sich die Deutschen über Osthoffs Freilassung einfach freuen – und nicht weiter nachfragen. Allen Regierungsvertretern riet er: „Vielleicht hilft Mundhalten.“
Doch das Stillschweigen der Regierung führt unweigerlich dazu, dass verschiedenste Berichte und Spekulationen verbreitet werden – und vorerst undementiert im Raum stehen bleiben. „Wir wissen, dass die Entführer anfangs eine kriminelle Gruppe waren, die nur auf Lösegeld aus war“, sagte beispielsweise der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Nadeem Elyas, der Mitteldeutschen Zeitung. Elyas, der sich während der Unsicherheit über Osthoffs Schicksal als Ersatzgeisel angeboten hatte, erklärte nun, er wisse genau, was sich zugetragen habe: „Diese erste Gruppe hat Frau Osthoff an eine islamisch orientierte Gruppe ‚verkauft‘.“ Die zweite Gruppe habe dann aber festgestellt, dass Osthoff nichts mit Spionage zu tun habe, und das Interesse an ihr verloren. „So kam es zu der schnellen Freilassung.“ Elyas berief sich auf Informationsquellen im Irak.
Der Terrorismusexperte Rolf Tophoven wiederum tat kund, Osthoff könnte von sunnitischen Nationalisten oder Kriminellen als Geisel genommen worden sein. Die Terrorgruppe um den jordanischen Extremisten Abu Musab al-Sarkawi scheide dagegen aus.
Der Wunsch der Regierung nach Zurückhaltung wird von der freigelassenen Geisel offenbar geteilt. Laut Steinmeiers Sprecher ließ Osthoff ausrichten, sie werde den Irak verlassen, aber zunächst nicht nach Deutschland zurückkehren. Sie wolle erst einmal ihre Tochter treffen – und von den Medien bitte in Ruhe gelassen werden.