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Archiv-Artikel

Korruption oder Freundschaft

DIENST UND VORTEIL Diese Woche entscheidet sich, ob das Verfahren gegen Christian Wulff eingestellt wird. Filmfinanzier Groenewold hat keine Angst vor einem Prozess

Bestand zwischen Wulff und Groenewold eine „Unrechtsvereinbarung“?

VON CHRISTIAN RATH

MAINZ taz | Exbundespräsident Christian Wulff wird wohl um einen Freispruch kämpfen. Nach verschiedenen Medienberichten wird er voraussichtlich den Vorschlag der Staatsanwaltschaft ablehnen, gegen eine Geldauflage von 20.000 Euro das gegen ihn laufende Strafverfahren einzustellen. Am heutigen Montag werden seine Anwälte mit der Staatsanwaltschaft in Hannover sprechen.

David Groenewold, der Filmfinanzier, der Wulff bestochen haben soll, erklärte bereits vor einer Woche, er werde um seine Ehre kämpfen und es auf einen Prozess ankommen lassen.

Konkret geht es nur noch um einen Vorwurf: Groenewold soll Wulff und seine Frau Bettina 2008 aufs Münchner Oktoberfest eingeladen haben. Als Gegenleistung habe sich Wulff, der damals noch niedersächsischer Ministerpräsident war, für ein Filmprojekt Groenewolds eingesetzt. Die Staatsanwälte werfen Groenewold deshalb Bestechung vor und Wulff Bestechlichkeit.

Die Fakten sind im Wesentlichen unbestritten: Groenewold hat einen Teil der Hotelkosten übernommen, den Babysitter für Wulffs Sohn bezahlt und die Verzehrbons für das Zelt von Feinkost Käfer besorgt, Gesamtwert: rund 770 Euro. Am nächsten Tag schrieb Groenewold an Wulff und bat ihn um Fürsprache für einen Film über den ehemaligen Siemens-Manager John Rabe. Tatsächlich schrieb Wulff Wochen später einen Unterstützungsbrief an Siemens-Chef Peter Löscher. Die Staatsanwälte müssen nun nachweisen, dass beides zusammenhängt, dass Groenewolds Einladung eine Vorabbelohnung für Wulffs Unterstützungsbrief war.

Wulff sagt, er wusste nicht einmal, dass Groenewold einen Teil der Hotelkosten übernommen hat. Er habe sich vielmehr aus eigenem Interesse für den Film eingesetzt. Groenewold erklärt, er habe Wulff zunächst einen zu niedrigen Hotelpreis genannt und dann, um den Fauxpas zu vertuschen, die Preisdifferenz beglichen.

Doch kommt es auf diese Details überhaupt an? Die beiden Männer sind seit Jahren befreundet. Darf man sich da nicht mal einladen? Darf man da nicht etwas großzügiger sein? Grundsätzlich ja. Aber wenn die Großzügigkeit mit Blick auf eine Diensthandlung des anderen gewährt wurde, dann ist es eben doch Korruption – auch unter Freunden.

Es kommt nun darauf an, ob zwischen den beiden Männern eine sogenannte Unrechtsvereinbarung bestand, die Vorteil und Diensthandlung miteinander verknüpft. Eine mündliche Absprache würde genügen, doch sind solche Gespräche schwer zu beweisen. Deshalb werten die Ermittler in derartigen Fällen vor allem Indizien aus. Für Korruption spricht zum Beispiel, wenn die Großzügigkeit recht einseitig verteilt ist, wenn also der eine Freund immer zahlt und es der Politiker ist, der immer die Geschenke erhält.

Bei Groenewold und Wulff wirkt zumindest die Richtung der Großzügigkeit verdächtig, ebenso der enge zeitliche Zusammenhang von Wohltat und Bitte um Unterstützung. Nach einjähriger Ermittlung, bei der viele andere Vorwürfe fallen gelassen wurden, ist die Staatsanwaltschaft bereit, bald Anklage zu erheben.

Dass die Unterstützung von Filmprojekten von Landesfirmen zur Aufgabe eines Ministerpräsidenten gehört, kann Wulff nicht helfen. Wer sich für eine rechtmäßige Diensthandlung bezahlen lässt, macht sich wegen Vorteilsannahme strafbar. Wenn die Diensthandlung rechtswidrig war oder wenn (wie hier) Ermessen bestand, handelt es sich sogar um das schwerwiegendere Delikt der Bestechlichkeit.